Retortenstädte für den Krieg

Protest gegen Gefechtsübungsfeld in der Colbitz-Letzlinger Heide

  • Peter Nowak, Letzlingen
  • Lesedauer: 3 Min.
Anders als in der Kyritz-Ruppiner Heide ist das Truppenübungsgelände Kolbitz-Letzlinger Heide fest in der Hand der Bundeswehr. Während das Bombodrom bei Wittstock von der Zivilgesellschaft quasi zurückerobert wurde, trainiert das Militär bei Letzlingen den Auslandseinsatz. Hier sammelten sich in den letzten Tagen Antimilitaristen zum Protest.

Glühend heiß war es am Samstag in der Kleinstadt Letzlingen in der Altmark. Kaum ein Mensch war auf der Straße. Doch eine große Anzahl von Polizeiwagen und Fahrzeugen mit der Aufschrift »Feldjäger« brachte ungewohnte Aufregung in den beschaulichen Ort. Der Anlass befand sich am Ortsausgang. Dort waren Transparente gegen Krieg und Militarismus angebracht. Neben einer uniformierten Puppe mit bunter Perücke hatte jemand ein Plakat mit dem Satz »Was für ein erhebendes Gefühl, von einer Frau erschossen zu werden« aufgeklebt.

Auf einem großen Transparent war die Parole »War starts here« (Der Krieg beginnt hier) zu lesen. Das war auch das Motto des einwöchigen Camps, das rund 300 Antimilitaristen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern wenige Kilometer von Letzlingen entfernt organisiert hatten. Das Ziel ihres Protestes war wie im letzten Jahr das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) wenige Kilometer von dem Ort entfernt. Hier probt die Bundeswehr seit 2006 den Einsatz im Ausland. Mitten in der Heide finden sich afghanischen Städten nachempfundene Straßenzüge. »Wir haben eine Altstadt, eine Neustadt, eine Stadtautobahn, die Kanalisation ist 1,5 Kilometer lang und begehbar. Dazu kommen Müllhalde, Trümmerfeld, Elendsviertel und die Moschee, die mit wenigen Handgriffen zur Kirche umfunktioniert werden kann«, wird der für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Oberstleutnant Peter Makowski in der Presse zitiert. Die Bundeswehr hat viel vor - auch in der Altmark. Bis 2017 soll dort die Geisterstadt Schnöggersburg entstehen. Von einer »Mischung aus Kinshasa, Timbuktu und Bagdad« schrieb die »Tageszeitung«.

Die Antimilitaristen wollen das Trainieren von Auslandseinsätzen nicht hinnehmen. »Wir sind überzeugt, dass wir die Pläne der Bundeswehr auch in der Altmark beeinträchtigen können«, sagt eine Aktivistin. Sie lobt das Camp, Kontakte seien geknüpft und informative Veranstaltungen organisiert worden. Daneben haben sich immer wieder kleine Gruppen in die Heide aufgemacht, um die Orte der Kriegsübungen zu markieren. Am vergangenen Donnerstag wurde dabei ein verlassener Bundeswehrkontrollposten entdeckt, in dem neben Berichten über GÜZ-Übungen auch Hakenkreuze zu sehen waren. In einer Pressemitteilung verlangen die Aktivisten Aufklärung, ob dafür mit der rechten Szene verbundene Soldaten verantwortlich sind.

Der Aktionstag am Sonnabend war Höhepunkt der Protestwoche. Nur ein Teil der Antimilitaristen suchte am Stadtrand von Letzlingen unter den Sonnenschirmen Schutz vor der drückenden Hitze - darunter auch Mitglieder der Linkspartei aus dem Kreis Lüchow-Dannenberg, die zur Unterstützung Kaffee und Kuchen mitgebracht hatten. Die übrigen Aktivisten versuchten derweil auf das Gefechtsübungsfeld zu gelangen. Die Polizei hatte das Gelände wenige Meter hinter der Kundgebung zur Sperrzone erklärt. Jeder, der die Straße passieren wollte, erhielt einen Platzverweis. Doch viele Antimilitaristen hatten sich schon am frühen Morgen auf verschlungenen Wegen aufgemacht.

Am Samstagmittag hatten auch die Freunde der Bundeswehr eine Kundgebung angemeldet, an der schließlich rund 30 Personen teilnahmen. Augenzeugen erkannten darunter Personen aus der rechten Szene. Die meisten Teilnehmer verwiesen auf die Arbeitsplätze, die durch die Bundeswehr in der strukturschwachen Region entstünden. »Davon profitieren doch nur die Beerdigungsinstitute und Sargträger«, entgegnete eine Frau.

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