Jobcenter vermittelt sittenwidrig

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 2 Min.

Sittenwidrige Löhne, schlechte Information: Nach sechs Wochen Beratung vor Jobcentern zieht das Projekt »Irren ist amtlich« eine negative Bilanz. Über 1000 Gespräche hätten gezeigt, wie mangelhaft die Leistungen des Arbeitsamts sind. Brennpunkt sind vor allem die vermittelten Arbeitsangebote. Stellen mit sittenwidrigen Löhnen müssten konsequent ausgeschlossen werden. »Jedes einzelne Angebot muss überprüft werden«, forderten das Berliner Arbeitslosenzentrum der evangelischen Kirche (BALZ), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Diakonie, die die Aktion gemeinsam durchführten.

So wurde ein besonders brisanter Fall bekannt, in dem eine Arbeitssuchende vom Jobcenter Pankow einen Vermittlungsvorschlag für eine Sekretärsstelle mit weitreichenden Fachkenntnissen erhielt. Der Stundenlohn für die Vollzeittätigkeit hätte zwischen 4,04 und 4,62 Euro betragen - über 30 Prozent weniger als ortsüblich und somit sittenwidrig. »Die Vermittlung in sittenwidrige Arbeitsverhältnisse ist nicht nur unmoralisch, sondern illegal«, betonte die DGB-Landesvorsitzende Doro Zinke.

Ebenfalls dürftig sei der Beratungsservice der Ämter. Zu häufig würde nicht ausreichend über Leistungsansprüche aufgeklärt. »Die Jobcenter haben natürlich ein Interesse daran, die Passivleistungen möglichst gering zu halten«, sagte Frank Steger, Koordinator der Aktion. Auch bei der Wohnkostenübernahme sieht er großen Veränderungsbedarf. Mittlerweile überstiegen selbst Sozialwohnungen die Richtwerte des Landes. »Es ist ein Unding, dass Wohnungen, die ursprünglich für Menschen mit niedrigem Einkommen aus dem Geld der Steuerzahler gebaut wurden, für Bezieher von Jobcenter-Leistungen nicht als angemessen gelten sollen«, sagte Steger. Auch die angepassten Mietobergrenzen in der neuen Wohnaufwendungsverordnung (WAV) würden daran nichts ändern.

Fehlerhafte Bescheide und lange Bearbeitungszeiten kämen auch durch die schlechte personelle Ausstattung und den daraus resultierenden Arbeitsdruck in den Agenturen zustande. Mit bis zu 62 durchschnittlichen Krankentagen pro Jahr hielten die bezirklichen Jobcenter-Mitarbeiter einen traurigen Rekord. »Das zeigt sich dann in der Art und Weise, wie mit den Arbeitssuchenden umgegangen wird«, meinte DGB-Chefin Zinke. »Menschen werden nur noch wie Fälle behandelt.« Die Kooperationspartner forderten daher einen verbesserten Personalplan und mindestens 10 000 öffentlich geförderte Arbeitsplätze, um auch Langzeitarbeitslose zu integrieren.

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