Klatsche für den Flughafenausbau

Urteil zum Rhein-Main-Airport könnte hessische Landtagswahl beeinflussen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Zweieinhalb Wochen vor der hessischen Landtagswahl sorgt ein Gerichtsurteil zu Flugrouten rund um den Frankfurter Flughafen für Aufsehen. Im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet löst es neue politische Debatten aus.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel (VGH) hatte am Dienstag auf Antrag mehrerer Privatpersonen sowie vom Fluglärm betroffener Gemeinden in Hessen und Rheinland-Pfalz die sogenannte Südumfliegung des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens für rechtswidrig erklärt. Damit sehen sich regionale Initiativen in ihren Bedenken gegen den Ausbau des Airports und gegen den Bau der 2011 in Betrieb genommen neuen Nordwest-Landebahn bestätigt. Das Urteil und mögliche Konsequenzen sollen heute Nachmittag bei der letzten Plenarsitzung des Landtags vor den Wahlen am 22. September in einer aktuellen Stunde debattiert werden. Ein Antrag der Grünen-Fraktion, das Thema bereits am Mittwoch »brühwarm« im Plenum auf die Tagesordnung zu setzen, war an den Stimmen der amtierenden CDU-FDP-Koalition gescheitert. Diese hält sich in der Frage bislang weitgehend bedeckt.

»Wenn das VGH-Urteil Bestand hat, dann ist auch die dem Ausbau zugrunde liegende Planfeststellung zu überprüfen, weil der Flughafen Frankfurt sein selbst gestecktes Planungsziel von 126 Flugbewegungen pro Stunde nicht erreichen kann«, erklärte der Flughafenexperte Dieter Faulenbach da Costa am Mittwoch bei einer Pressekonferenz der Linksfraktion im Wiesbadener Landtag: »Ich kann mir keine Flugroute vorstellen, mit der man diese 126 Bewegungen erfüllen könnte, es sei denn, man würde die Anliegergemeinde Raunheim und Teile von Rüsselsheim absiedeln.« In letzter Konsequenz bedeute das Urteil, dass die Planfestestellung überprüft und aufgehoben werden muss, so Faulenbach da Costa. »Alles wäre dann Makulatur, die Nordwestbahn müsste wieder stillgelegt werden.«

Auch der konservative »Wiesbadener Kurier« bezeichnete den Flughafenausbau als »Flickschusterei« und stellt fest: »Die Klatsche aus Kassel kam völlig zu Recht.«

»Die Landesregierung wollte mehr Flugbewegungen und ist verantwortlich für das Chaos, das wir jetzt haben«, erklärte Janine Wissler, Chefin der hessischen Linksfraktion. »Der Flughafen in der sehr dicht besiedelten Rhein-Main-Region sei ohne eine Entvölkerung und Umsiedlung von Wohngebieten nicht «raumverträglich auszubauen».

Das am Dienstag verkündete Urteil ist bislang nicht rechtskräftig. Eine schriftliche Begründung liegt noch nicht vor. Allerdings ist davon auszugehen, dass das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung das Urteil nicht hinnehmen will. «Wir werden die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, um weitere Schritte beurteilen zu können», heißt es in einer Erklärung der Behörde. Der Landtagsabgeordnete Herman Schaus (LINKE) geht indes davon aus, dass keine Revision zugelassen wird. «Wenn es keine Revision gibt und das Urteil in Kraft tritt, dann müssen sie handeln», erklärte Schaus auf nd-Anfrage.

Ob der Kasseler Richterspruch größere politische Turbulenzen auslöst, der Protestbewegung gegen Fluglärm Auftrieb verleiht und sich im Stimmverhalten bei der Landtagswahl auswirkt, wird erst am Abend des 22. September feststehen. Nach neuesten Umfragen liegt die CDU-FDP-Koalition wieder um zwei Prozentpunkte vor den Oppositions-Wunschpartnern SPD und Grüne. Die hessische LINKE, die laut Demoskopen seit Wochen bei vier Prozent verharrt, sieht in dem VGH-Urteil eine Steilvorlage, um die für einen Wiedereinzug in den Landtag nötige Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Faulenbach da Costa, der auf Platz zehn ihrer Landesliste für den Landtag kandidiert, sieht sich durch den Richterspruch in Bedenken bestätigt, die er als Sachverständiger bei Erörterungsterminen zum Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren für den Flughafenausbau in den Jahren 2002 und 2005 vorgetragen hatte.

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