Was Schweine wählen würden

  • Lesedauer: 5 Min.
Da Tiere kein Wahlrecht ausüben können, müssen wir Zweibeiner diese Entscheidung allein treffen. Zwar sind die Bedürfnisse von Kühen, Schweinen und anderen Tieren immer noch ein Nischenthema im Wahlkampf, doch hat sich in den Parteiprogrammen einiges dazu getan.

Vier Pfoten, Hufe oder Klauen sind bekanntlich nicht in der Lage, ihre Bedürfnisse bei Wahlen zu artikulieren. Schweine in der Wahlkabine wird es auch in Zukunft nicht geben, weshalb es dem Menschen überlassen bleibt, sich über die Bedürfnisse der Tierwelt zu streiten. Doch die Themen Tierschutz - und noch weniger der Tierrechte - spielen in Wahlkämpfen keine besonders große Rolle, es sei denn, kurz vor dem Urnengang würde die Bundesrepublik ein neuerlicher Fleischskandal erschüttern. Insofern hatte jeder Ausbruch von Rinderseuche, Maul- und Klauenseuche oder die Hühnergrippe stets auch etwas positives: Für einen kurzen Moment debattierte die Öffentlichkeit darüber, was wir Tieren tagtäglich antun und welche Konsequenzen dies letztlich auch für den Menschen haben kann. Abseits solcher Ereignisse lassen sich mit Kuh, Schwein, Huhn und Hase aber keine Wahlen gewinnen. Dabei gibt es seit 1993 sogar eine Partei, die das Thema Tierschutz im Namen trägt, von einem Einzug in den Bundestag mit einem Ergebnis von zuletzt 0,5 Prozent allerdings meilenweit entfernt ist. Bei den großen Parteien räumen fast alle der Thematik immerhin mehr Platz im Wahlprogramm ein. Quetschten die Parteien noch in den 90er Jahren zum Teil nur einzelne Sätze irgendwo dazwischen, gibt es heute immerhin ganze Absätze zum Thema Tiere, die zumeist im Hinblick auf das Thema Landwirtschaft abgehandelt werden. Ein Fortschritt, wenn gleich sich bisher keine Partei traut, das Thema großflächig zu plakatieren. Zaghafte Ansätze sieht der Wähler bei den Grünen: Vom Laternenmast hinab grinst uns eine Kuh an und erklärt mit herausgestreckter Zunge, sie würde nicht fressen, was der Bauer nicht kennt. Gemeint sind wohl genmanipulierte Futterpflanzen, wobei es den Grünen wohl stärker um die daraus resultierenden Gefährdung des Menschen als um das Wohl der plakatierten Kuh gehen dürfte. Tiere, helfen eben nicht aus einem Umfragetief.

Und dennoch dürfte das vermeintliche Nischenthema besonders für vegetarisch oder vegan lebenden Menschen durchaus ein Grund sein, einen Blick in die Wahlprogramme der Parteien zu werfen. Der Vegetarierbund Deutschland (Vebu) hat dies stellvertretend getan und anhand seiner eigenen Positionen bei Union, SPD, Grünen, der LINKEN, den Piraten sowie der Tierschutzpartei nachgefragt, wie sie es mit vegetarisch-veganen Themen halten. Was die Auswertung der Wahlprüfsteine ergab, dürfte kaum verwundern, auch nicht, dass die Tierschutzpartei sich allen Forderungen des Vebu anschließt. Anders sieht es dagegen bei den anderen Befragten aus.

So lehnen CDU/CSU fast alle elf Forderungen des Vebu ab, darunter die nach einer einheitlichen Definition der Begriffe vegetarisch und vegan. Wie wichtig dies allerdings wäre, zeigt eine Antwort der FDP auf die Frage nach einer generellen Kennzeichnung aller tierischen Stoffe, die in einem Produkt enthalten sind oder bei der Produktion als Hilfsmittel zum Einsatz kamen. Die Antwort der Liberalen dürfte für Erheiterung sorgen: »Die FDP begrüßt Initiativen der Lebensmittelwirtschaft für freiwillige Kennzeichnung von Produkten, die nicht nur kein Fleisch enthalten, sondern bei denen auch im Produktionsprozess keine tierischen Produkte beteiligt sind. Ein Beispiel ist hier die Käseherstellung.« Milch ist demnach nicht tierischen Ursprungs oder verzehren die Liberalen man im Thomas-Dehler-Haus ausschließlich Analogkäse?

Nicht viel besser sieht es bei der Forderung nach einem Verbandsklagerechte von Tierschutzverbänden auf Bundesebene aus. Selbiges gibt es seit der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes im Jahr 2002 für anerkannte Umweltschutzverbände wie den BUND. Sowohl CDU/CDU als auch die FDP lehnen das Klagerecht ab. Immerhin: Die Union will sich laut eigenen Bekunden für eine Abschaffung der Subventionen für den Fleischexport stark machen. Wozu dieser führt, lässt sich in Afrika etwa am Beispiel von Benin beobachten: Durch den massiven Export von billigen EU-Geflügelfleisch ist der dortige regionale Markt für die Kleinbauern Benins praktisch zusammengebrochen, wodurch tausenden Menschen die Lebensgrundlage entzogen wurde. Mit Ausnahme der Piraten, deren Position dazu unklar ist, wollen alle Befragten Parteien ein Ende des Subventionswahnsinns erreichen.

Erwartungsgemäß die größten Übereinstimmungen gibt es bei den Grünen und der LINKEN. Zwar lehnen die Grünen eine Anhebung des Mehrwertsteuersatz für Fleisch von sieben auf 19 Prozent ab, was jedoch nicht heißt, dass die Partei billige Dumpingwürste richtig findet. Stattdessen wollen die Grünen die Kosten indirekt erhöhen, indem sie sich etwa für die Einführung einer Stickstoffüberschussabgabe in der Landwirtschaft einsetzen. Die LINKE indes ist zwar genau wie die Grünen für eine reduzierten Steuersatz auf Pflanzenmilch, will im Gegenzug aber keine Anhebung der Umsatzsteuer für Fleischprodukte, da die Partei die Überzeugung vertritt, es reiche aus, auf den Ausbau des Angebotes an »leckeren fleischlosen Alternativen« zu setzen.

Dass das Bewusstsein bei den Parlamentariern für vegetarisch-vegane Themen nicht unbedingt größer ist als im gesellschaftlichen Durchschnitt, ergab eine Befragung des Magazins der Süddeutschen Zeitung unter allen 620 Bundestagsabgeordneten, auf die immerhin 289 Politiker antworteten. Drei Befragte erklärten, Veganer zu sein. Überraschend ist hier nicht nur die Parteizugehörigkeit: Zwei Veganer gehören der FDP an, einer der Union. Alle drei sind zudem Männer und über 50 Jahre alt und entsprechen damit nicht dem typischen Bild der jungen, gebildeten Veganerin. Anders verhält sich das Bild dagegen bei den Vegetariern. Etwa sieben Prozent – was damit etwa dem vom Vebu ermittelten Wert in der Gesamtbevölkerung entspricht - der Befragten gaben an, sich vegetarisch zu ernähren, wobei die Mehrheit der Parlamentarier in diesem Fall überproportional häufig bei Grünen und Linken zu finden waren. Den meisten Tieren wird aber auch diese Erkenntnis wenig nutzen.

http://vebu.de/vebu/ueber-uns/veggie-lobby/1732-wahlpruefsteine-bundestagswahl-2013 http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/40381/3/1

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal
Mehr aus: Vleischeslust