Frankreich übt Gastfreundschaft

Ehrenamtliche Stadtführer sollen den schlechten Ruf der Hauptstadt aufpolieren

  • Andrea Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine ehrenamtliche Bewegung von Stadtführern soll bei Touristen den Ruf von nicht besonders gastfreundlichen Franzosen aufpolieren.

Kein anderes Land zieht jedes Jahr so viele Touristen an wie Frankreich. Dabei geht den Franzosen und insbesondere den Parisern der Ruf voraus, nicht besonders gastfreundlich zu sein. Die Klischees sind bekannt: Paris sei eine kaltherzige Stadt, die Kellner unfreundlich, Fremdsprachen verpönt und die Pariser arrogant. Gegen genau diesen bleibenden Eindruck möchte die ehrenamtliche Bewegung der »Greeter« (aus dem englischen: Gastgeber) angehen, die in Paris, aber auch in anderen Städten Frankreichs immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Das Prinzip: Der »Greeter« liebt seine Stadt und will die Gelegenheit zu ihrer Entdeckung bieten. Er begleitet kostenlos eine kleine Touristengruppe (maximal sechs Personen) durch seine Stadt oder sein Viertel und vermittelt auf diese Weise einen sehr viel intimeren Einblick als professionelle Stadtführungen. Er klammert in der Regel die typischen Touristenattraktionen aus, und klügelt stattdessen eine originelle und sehr persönliche Tour aus, auf der er all jene Tipps, Anekdoten und gute Adressen weitergibt, die man in keinem Reiseführer findet. Die Besucher sollen sich ein paar Stunden lang wie echte Pariser fühlen und ein bisschen lokales Leben von innen miterleben. Das kann darin bestehen, ein wenig bekanntes Stadtviertel abseits ausgetretener Touristenpfade zu entdecken, über einen Wochenmarkt zu schlendern oder Einwohner kennenzulernen.

Die Spaziergänge dienen in erster Linie einem menschlichen Kontakt und enden nicht selten bei einem Glas Wein oder einem gemeinsamen Abendessen. »Ich empfange die Besucher genau so wie ich meine Freunde empfange. Ich zeige ihnen mein Viertel so wie ich es liebe und im Alltag lebe«, erklärt Claude d›Aura, Leiterin des Pariser Greeter-Vereins »Parisien d‹un Jour« (Pariser für einen Tag), die regelmäßig Gruppen durch Ménilmontant führt. »Ein anderer Bewohner des gleichen Viertels würde wieder einen ganz anderen Rundgang machen«.

Auf diese Weise konkurriert das Konzept der kontaktfreudigen Pariser auch nicht direkt mit den Leistungen der diplomierten Fremdenführer. Beide ergänzen einander, versichert Christian Ragil, Leiter des Global Greeters Network: »Wenn wir bei unserer Tour an einem Museum oder einer Sehenswürdigkeit vorbei kommen, dann ermuntern wir die Besucher oft dazu, dies später mit einem professionellen Fremdenführer zu besichtigen.«

Das Konzept kommt an. Im vergangenen Jahr haben die 360 Pariser »Greeter« mehr als 5300 Touristen IHRE Stadt gezeigt. Das mag im Vergleich zu den jährlich 29 Millionen Besuchern der französischen Hauptstadt verschwindend wenig sein. Doch den Verein »Parisien d’un jour« gibt es auch erst seit 2007, und die Nachfrage ist in den wenigen Jahren rasant angestiegen. So ist Paris derzeit die Stadt mit der weltweit höchsten Anzahl »Greeter« - noch vor New York (297), der Stadt in der die Bewegung 1992 durch Lynn Brooks initiiert wurde. Inzwischen gibt es »Greeter« in neunzehn Ländern, darunter auch in Deutschland.

Von den 52 Städten weltweit, die den Service bieten, sind mehr als ein Drittel französische. Neben Paris, Lyon, Nantes oder Versailles bieten weitere Städte in den Gegenden des Tarn und der Provence kostenlose Führungen an. Sie gehören dem weltweiten Dachverband »Global Greeter Network« (www.globalgreeternetwork.info) an. Für Paris kümmert sich der Verein »Parisien d’un jour« um Reservierung und Vermittlung über die Website www.parisgreeters.fr. Reservierungen sollten mindestens zwei Wochen vor dem Termin erfolgen. Gerade in Paris ist es in der Regel einfach, an einen deutsch- oder englischsprachigen »Greeter« vermittelt zu werden. Die Touren sind kostenlos, doch eine kleine Spende hilft dem Verein, sich weiterzuentwickeln.

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