Duell der Superhirne

Hertha BSC bezwingt Borussia Mönchengladbach mit 1:0 und springt auf Platz vier

In einem sehr taktisch geprägten Spiel hatte Hertha BSC am Samstagabend das bessere Ende für sich. Vor 61 539 Zuschauern im Olympiastadion erzielte Adrian Ramos gegen Borussia Mönchengladbach den entscheidenden Treffer.

Wirkliche Geheimnisse gibt es in der Fußball-Bundesliga nicht mehr. Die Mannschaften kennen sich gegenseitig in- und auswendig. Und wenn dann noch zwei Teams aufeinander treffen, die von taktischen Superhirnen trainiert und aufgestellt werden, erwartet den Zuschauer manchmal eben nicht ein Spektakel – sondern gepflegte Langeweile auf hohem Niveau.

Die Partie zwischen Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach wurde als Topspiel des 9. Spieltags angesetzt: 18.30 Uhr im Berliner Olympiastadion, 61 539 Zuschauer warteten in Flutlichtatmosphäre hoffnungsvoll auf den Anpfiff der Partie des Tabellensechsten gegen den Vierten. Und es ging vielversprechend los. Per Hackentrick spielte Gladbachs Nationalspieler Max Kruse in der 3. Minute Raffael im Berliner Strafraum frei. Der Schuss des Brasilianers wurde aber noch abgefälscht und ging knapp am Tor von Thomas Kraft vorbei.

Dann passierte, was passieren kann, wenn die Trainer Jos Luhukay und Lucien Favre heißen. Sowohl der Hertha-Coach als auch Gladbachs Trainer sind akribische Fußballlehrer mit perfektionistischem Ansatz in Sachen Taktik. Beide Teams spielten äußerst ballsicher und fanden selbst auf engstem Raum und unter Druck eine spielerische Lösung. Und beide Teams verschoben sich als fein austariertes Gebilde aus zehn Feldspielern exakt und diszipliniert auf dem Spielfeld, dass das jeweilige Umschaltspiel des Gegners von Abwehr auf Angriff keinen Raum zur Vollendung fand. Selbst wenn es noch so schnell und kombinationssicher vorgetragen wurde.

Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach neutralisierten sich, und die Spieler beider Teams leisteten sich kaum individuelle Fehler. Torchancen ergaben sich folglich nur nach Einzelleistungen oder Standardsituationen. Da Leidensfähigkeit zu den Tugenden von Fußballfans gehört, litt die Stimmung im Olympiastadion darunter nicht. »Liebe kennt keine Entfernung« war groß im Gästeblock zu lesen. Etwa 7000 Gladbacher Fans waren ihrer Mannschaft die rund 600 Kilometer nach Berlin gefolgt. Und da die Saison in der Bundesliga für die Borussia bisher äußerst gut läuft, klatschten, sangen und hüpften sie.

Den Berliner Fans kann derzeit sowieso so schnell nichts die Laune verderben. Zweitliga-Aufsteiger Hertha BSC hat einen in dieser Art unerwartet guten Saisonstart hingelegt. Nach 36 Minuten wurde die Laune der blau-weißen Anhänger noch besser. Adrian Ramos hatte zum 1:0 getroffen. Natürlich nach einer Standardsituation, aber das war natürlich auch egal. Gejubelt wurde laut und ausgiebig.

Per-Ciljan Skjelbred hatte zuvor einen Freistoß direkt auf den Kopf des kolumbianischen Stürmers gezirkelt. Gefährliche Gladbacher Chancen resultierten allein aus Distanzschüssen. Den Flatterball von Juan Arango aus 25 Metern entschärfte der Hertha-Keeper in der 14. Minute mit der Kraft seiner beiden Fäuste. Auch die Versuche von Kruse (16./30./45.) waren letztlich zu harmlos.

Die zweite Halbzeit bot über weite Strecken das gleiche, von Taktik geprägte, Bild – allerdings noch weniger nennenswerte Tormöglichkeiten. Sami Allagui verpasste es nach 57 Minuten, die Führung für Hertha BSC zu erhöhen. Nach einem Stellungsfehler von Gladbachs Verteidiger Roel Brouwers stand der Berliner Flügleflitzer plötzlich allein vor Marc-Andre Ter Stegen, verlor aber das Duell gegen den Torwart der Borussia. Elf Minuten vor Schluss fand Raffael eine kleine Lücke in der Berliner Innenverteidigung. Aber sein Schuss hatte ungefähr 100 km/h weniger Geschwindigkeit, als die meisten seines Bruders Ronny, der 90 Minuten lang auf der Hertha-Bank saß.

Die Berliner verließen also unter dem Jubel ihrer Fans den Platz als Sieger. Nicht zu Unrecht, denn mit der Führung im Rücken spielten sie die zweite Hälfte souveräner und etwas selbstbewusster als die Gäste. »In einem intensiven Spiel war heute die Defensive unsere größte Stärke« sagte Hertha-Trainer Jos Luhukay und ergänzte zufrieden: »Auch so kann man gewinnen.« Borussia Mönchengladbach bleibt trotz der Niederlage vorerst Sechster. Mit dem vierten Sieg im neunten Spiel kletterte Hertha BSC auf Platz vier. Das nächste Topspiel kann also kommen, vielleicht mit etwas mehr Spektakel.

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