Klein-Klein statt »Masterplan«

Studie zur Entwicklung der Agrarwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern vorgestellt

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach fast anderthalb Jahren liegt ein erster Bericht zu einem »Masterplan« für den Nordost-Agrarsektor vor. Ob es aber je zu einer gemeinsamen Plattform aller Interessengruppen kommen wird, ist offen.

Zuletzt machte Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) eher durch eine Serie von Pannen und Peinlichkeiten auf sich aufmerksam: von der sogenannten Backpfeifen-Affäre bis hin zum öffentlich ausgetragenen Streit mit der Ex-Freundin um den Verbleib eines Traktors. Nun gibt es mal wieder fachliche Neuigkeiten aus dem Schweriner Agrarministerium.

Nachdem Backhaus bereits vergangene Woche eine inhaltliche Studie präsentieren konnte, der zufolge in der heimischen Land- und Ernährungswirtschaft statt Soja aus Übersee mehr einheimische Eiweißpflanzen wie die Lupine eingesetzt werden sollten, präsentierte er diese Woche eine erste Idee dessen, was einmal sein großer Wurf werden soll. Zwar ist man offenbar vom angestrebten »Masterplan« der Land- und Ernährungswirtschaft im Agrarland Mecklenburg-Vorpommern noch weit entfernt, doch immerhin legte die von Backhaus vor nahezu anderthalb Jahren zusammengerufene »Perspektivkommission« nun einen ersten gemeinsamen Bericht vor.

1,3 Millionen Hektar

Mecklenburg-Vorpommerns Landwirte bewirtschaften und pflegen 1,3 Millionen Hektar Land, das sind fast zwei Drittel der Landesfläche. Nahezu 80 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche werden als Ackerland genutzt, der Rest als Grünland. Hauptkulturen sind Winterweizen, Winterraps und Wintergerste. In der Tierproduktion spielt die Zucht von Rindern und Schweinen die größte Rolle: Die Bauern des Bundeslandes halten rund 800 000 Schweine und über 550 000 Rinder.

Etwa ein Drittel der Rinder sind Milchkühe. Die Milchleistung liegt bei durchschnittlich 8374 Kilogramm pro Kuh und Jahr. Die Agrarwirtschaft hat - zusammen mit der Forst- und Fischereiwirtschaft - einen Anteil von 3,4 Prozent an der Bruttowertschöpfung des Bundeslandes - der Durchschnitt liegt in Deutschland bei 0,9 Prozent. nd

 

Demzufolge soll es in Zukunft irgendwie ökologischer zugehen - doch allzu Konkretes gibt es nicht auf den gut 130 Seiten des »ersten Bandes« der Backhaus-Kommission. Stattdessen heißt es in dem vom früheren Landes-Kultusminister Hans-Robert Metelmann (parteilos) herausgegebenen Werk: »Die Arbeit im Masterplanprozess wird immer wieder bestimmt von der Einsicht, dass die Perspektivkommission (…) kein Freundeskreis ist, sondern ein Arbeitsgremium sehr engagierter Interessenvertreter.«

Noch vor wenigen Wochen stand die Kommission ganz vor dem Zerfall, als Vertreter von BUND, Tierschutzbund, NABU und der Nordkirche in einem Brief mitteilten, lieber ein eigenes Papier erarbeiten zu wollen. Dass die Kommission nicht ganz zerfiel, »lag an der politischen Dimension der Thematik, der sich alle bewusst waren«, erklärte Metelmann.

Greifbar ist in dem Bericht vor allem die Absichtserklärung, ein »Kompetenzzentrum« gründen zu wollen, das Öko-Bauern fachlich beraten soll. Dafür gebe es einen erheblichen Bedarf - Mecklenburg-Vorpommern liegt bereits heute mit einem Anteil von über neun Prozent der Nutzfläche in Sachen Ökowirtschaft bundesweit an der Spitze. Das Land sei in dieser Richtung »prädestiniert«, so der Minister. Besonders hinsichtlich einer Stallgrößenbegrenzung - ob nun als konkrete Zahl oder im Verhältnis zur bestellten Futtermittelfläche - enthält das Papier nichts. Backhaus erklärte, es könne in dieser Frage »nur Regelungen im Rahmen des Bundes und der EU« geben.

Nicht zuletzt deshalb herrscht zum Beispiel bei den Tierschützern weiterhin große Enttäuschung über den Diskussionsprozess. Für Kerstin Lenz, die Landesvorsitzende des Tierschutzbundes Deutschland und Mitglied der »Perspektivkommission«, hätte es bei den Diskussionen darum gehen müssen, eine grundlegende Marschrichtung abzustecken statt nur den »kleinsten gemeinsamen Nenner« zu suchen. Gegenüber »nd« sagte sie, dass die Umweltverbände, der Tierschutzbund, die Nordkirche, der Alternativ-Nobelpreisträger Prof. Michael Succow und der prominente Journalist Klaus Bednarz sich bereits kommende Woche treffen würden, um weiter an einem eigenen »Masterplan« zu arbeiten.

Vom Ministerium verlangen die Abweichler in einem Brief, der »nd« vorliegt, für die weitere Arbeit eine Umgestaltung der »Perspektivkommission«: »Wichtige, bisher nicht vertretene Akteure« müssten hinzugezogen, Anhörungen mit Wissenschaftlern veranstaltet und ein »paritätisch besetztes Sekretariat« eingerichtet werden.

Auch die »15 000 Besucher«, die sich laut Backhaus-Ministerium in Internet an der Debatte beteiligt haben, erweisen sich als Schimäre. Es ist nämlich nicht so, dass es auf der Debattenseite »mensch-und-land.de« zu den fünf dortigen »Foren« tatsächlich 15 000 Beiträge gäbe. Auf diese Zahl kommt nur, wer die Zahl der Aufrufe der meist gar nicht oder nur spärlich diskutierten Einträge im Forum addiert - die zudem offenbar von einem eher kleinen Benutzerkreis eingestellt wurden.

Daran ändert auch die nachgelieferte Erläuterung nichts, dass es sich bei dem offenbar überaus aktiven Benutzer »mela-besucher« nicht um eine natürliche Person handle, sondern die am Rande der gleichnamigen Landwirtschafts-Fachausstellung gesammelten Meinungen unter einem gemeinsamen Benutzernamen eingestellt worden seien.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal