Für eine Koalition der Belauschten
Deutsche Kanzlerin und Frankreichs Präsident wollen gemeinsam gegen NSA-Schnüffelei vorgehen
Beim eigenen Handy hört der Spaß für Angela Merkel offenbar auf. Schon in der kommenden Woche soll eine Delegation »ranghoher Vertreter« der deutschen Sicherheitsdienste in die USA fliegen, um dort die Aufklärung der mutmaßlichen Überwachung des Kanzlerinnen-Handys voranzutreiben, wie Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Freitag erklärte. Die Abordnung soll zudem auf die vollständige Beantwortung der Fragenkataloge zur NSA-Affäre drängen, die deutsche Ministerien bereits vor Monaten an die US-Behörden geschickt hatten. Die Amerikaner ließen hier bislang keinen großen Eifer erkennen. »Wir sind jetzt eigentlich wieder da angekommen, wo wir im Juni gestartet sind«, musste Streiter einräumen. Bis zum vergangenen Mittwoch störte sich in der Bundesregierung niemand an dieser wenig kooperativen Haltung der USA.
Doch seit dem Auffliegen der Lauschaktion ist alles anders: Die mutmaßlich abgehörte Kanzlerin gab am Donnerstagabend am Rande des EU-Gipfels in Brüssel die Empörte: »Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht«. Zusammen mit Frankreichs Präsident François Hollande, der ebenfalls vom NSA ausspioniert wurde, will Merkel nun eine deutsch-französische Initiative starten, um die Schnüffeleien aufzuklären.
Einen ersten Fahrplan gibt es bereits. Bis zum EU-Gipfel im Dezember wollen Berlin und Paris einen Kooperationsrahmen zwischen ihren Geheimdiensten und denen der USA ausarbeiten.
Von ernsthaften Konsequenzen sahen die 28 Staats- und Regierungschefs in Brüssel allerdings ab. So sollen die Verhandlungen über das umstrittene Freihandelsabkommen mit den USA weitergeführt werden. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hatte zuvor angeregt, die Gespräche auszusetzen.
Unterdessen haben die Grünen eine Sondersitzung des Bundestages zur Abhör-Affäre beantragt. Die Linksfraktion unterstützt den Antrag. Fraktionschef Gregor Gysi sagte am Freitag, er hoffe, dass der Bundestagspräsident von seinen entsprechenden Möglichkeiten Gebrauch mache. Die rot-grüne Opposition steht vor einem Problem, das ihr im Laufe der Legislatur immer wieder begegnen wird. Nach geltender Rechtslage ist der Bundestagspräsident nur verpflichtet, eine Sondersitzung einzuberufen, wenn mindestens ein Drittel der Abgeordneten den Antrag unterstützt. LINKE und Grüne stellen aber nicht mal ein Viertel der Parlamentarier.
Beide Parteien fordern zudem eine Anhörung des Whistleblowers Edward Snowden, der die NSA-Affäre mit seinen Enthüllungen ins Rollen gebracht hatte. »Wir brauchen diesen wichtigen Zeugen«, erklärte Gysi gegenüber der »tageszeitung«. Die Union zeigte sich gestern offen für dieses Ansinnen. »Wenn die Antworten von amerikanischer Seite nicht befriedigend ausfallen, dann wäre als Ultima ratio auch eine Befragung von Snowden denkbar«, sagte CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl dem »Tagesspiegel«.
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