Agora 99 für ein Europa von unten

In Rom berieten Vertreter verschiedener sozialer Bewegungen des Kontinents darüber, wie sie zu einer gemeinsamen Perspektive finden

  • John Malamatinas, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.
Am Wochenende fand in Rom die zweite Agora 99 statt, ein euro-mediterranes Treffen, das sich den Themen Schulden, Demokratie und Menschenrechte widmete.

Etwa 300 Menschen aus verschiedenen Teilen Europas diskutierten über die Arbeit örtlicher sozialer Bewegungen, über Gemeinsamkeiten und Unterschiede und über Perspektiven gemeinsamen transnationalen Widerstands. Die Agora war im antiken Griechenland der zentrale Versammlungsplatz einer Stadt, die 99 im Namen der Veranstaltung bezeichnet jene 99 Prozent der Bevölkerung, die dem einen Prozent der Reichsten gegenüberstehen. Die Bezeichnung des Forums weist darauf hin, dass es den Teilnehmern um das Erbe der Occupy-Bewegung geht, die im Jahre 2011 durch die Besetzung öffentlicher Plätze auf sich aufmerksam machte.

Die Vorbereitungsgruppe des Treffens in Rom hatte ihr Anliegen so formuliert: »Europa ist der mindeste Raum, auf den wir schauen sollten, wenn wir darüber nachdenken, wie wir Kämpfe in der Metropole und den Städten organisieren, in denen wir leben.« In einer gut besuchen Eröffnungsvollversammlung im selbstverwalteten Atelier »ESC« wurde festgestellt, dass es eine Asymmetrie der sozialen Bewegungen in Europa gebe. Ziel der Konferenz solle daher sein, eine gemeinsame Sprache zu finden und eine gemeinsame Perspektive zu entwerfen, die schon im Hier und Heute praktiziert werden könne.

Das Programm der Agora 99 bot reichlich Gelegenheit zur Diskussion über ein solches »Europa von unten«. In drei Workshops ging es unter anderem um verschiedene Auseinandersetzungen in Europa – von ökosozialen Kämpfen gegen infrastrukturelle Großprojekte bis zur Selbstorganisation in Form von selbstverwalteten Kliniken. Auf einem Workshop zu besetzten Fabriken und Eigenverwaltung von Arbeit und Produktion diskutierten Arbeiter der besetzten Fabrik VIO.ME im griechischen Thessaloniki mit Aktivisten und Arbeitern zweier besetzter Fabriken in Italien, die zu Orten sozialen Widerstands geworden sind.

Reichlich Raum gab es, auch über konkrete Vernetzung zu sprechen – beispielsweise in einem Workshop zu den Möglichkeiten transnationaler Netzwerke und zur Weiterführung der Debatte um die Konstituierung des besagten Europas von unten. Letzteres wurde vom Großteil der Teilnehmer als das wichtigste Element dieser europaweiten Diskussion gesehen. Wie könnte der Übergang zu einer sozialeren, gerechteren, demokratischeren Gesellschaft aussehen, auf welche Resonanz könnte dieser Vorschlag in den verschiedenen Regionen stoßen? Am Sonntag, dem letzten Veranstaltungstag, wurden die Ergebnisse der Workshops zu den Themen Demokratie, Schulden und Menschenrechte zusammengefasst und vorgestellt.

Schon am Vorabend war in zahlreichen Gesprächen am Rande einer Feier im besetzten sozialen Zentrum »Strike« festgehalten, dass solche euro-mediterranen Treffen von großer Bedeutung sind, besonders im Hinblick auf die anhaltende Krisenverwaltung »von oben«. Das nächste Zusammentreffen wird denn auch nicht lange auf sich warten lassen: Vom 22. bis 24. November findet in Frankfurt am Main die europaweite Aktionskonferenz zu den kommenden Blockupy-Aktionstagen im Frühjahr 2014 statt.

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