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Milliarden auf dem Papier

Die Union tut sich schwer mit möglichen Mehrausgaben einer Großen Koalition

Bislang ist unklar, ob die Einigungen bei den Koalitionsverhandlungen auch umgesetzt werden. Die Finanzierung steht nämlich nicht.

Die Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD sind längst ins Rollen gekommen. Zahlreiche Punkte konnte man in den sieben Arbeitsgruppen schon festzurren - darunter einige Maßnahmen, die Geld kosten: hier eine Milliarde Euro jährlich für den Breitbandausbau für schnelles Internet, dort 1,5 Milliarden zur Förderung von Existenzgründungen, zwei Milliarden für die Senkung der Stromsteuer und gar 3,5 Milliarden pro Jahr für steuerliche Wohnungsbauförderung. Und dies ist eigentlich nur der Anfang: Die Wunschliste aus den Wahlprogrammen summiert sich auf schlappe 50 Milliarden Euro pro Jahr, denn hierbei geht es um die richtig großen Haushaltsposten: Rente, Pflege, Kindergeld, Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Nicht zu vergessen, dass die häufig von Union oder SPD regierten Kommunen auf Entlastungen bei ihren Ausgaben drängen, die dann der Bund übernehmen müsste.

In der Arbeitsgruppe Finanzen nimmt man dieses Schauspiel eher schulterzuckend zur Kenntnis. »Der finanzielle Spielraum ist sehr bescheiden«, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle. Und Unionsfraktionsvize Michael Meister ergänzte, es gebe »nur niedrige einstellige Milliardenbeträge als Spielraum, und wohl auch erst ab 2016«.

Die Steuerschätzung, deren Ergebnisse am Donnerstag veröffentlicht wurden, bestätigt diese Einschätzung. Zwar steigen die Einnahmen des Staates etwas stärker als bisher veranschlagt. Bis 2017 können die öffentlichen Haushalte gegenüber der letzten Mai-Prognose mit einem Zusatzplus von insgesamt 14 Milliarden Euro rechnen, wie das Bundesfinanzministerium am Donnerstag in Berlin nach dreitägigen Beratungen des Arbeitskreises Steuerschätzung mitteilte. Auf den Bund entfallen allerdings gerade einmal 1,6 Milliarden Euro der Mehreinnahmen.

Da ein Konjunkturwunder mit sprudelnden Steuereinnahmen laut den Prognosen ausfällt, bleiben theoretisch noch drei Wege, um zusätzliche Ausgaben zu finanzieren: mit Steuererhöhungen und einer höheren Verschuldung, die beide von der Union nach wie vor ausgeschlossen werden, sowie mit Kürzungen an anderer Stelle im Haushalt, an die offiziell derzeit niemand denkt.

Während die SPD locker sagen kann, sie sei für Steuerhöhungen, wodurch sich die Finanzierungsprobleme lösen ließen, ist bei den Partnern guter Rat teuer: Am Donnerstagmittag mussten die Unterhändler der Union im Deutschlandzimmer der Berliner CDU-Zentrale den Parteichefs Bericht erstatten. Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) wollen verhindern, dass ihre Parteifreunde in den Arbeitsgruppen mit der SPD Vereinbarungen treffen, die in einem Gesamtpaket nicht mehr finanzierbar sind. Seehofer hatte bereits verlauten lassen, dass alle Beschlüsse unter Finanzierungsvorbehalt gestellt würden. In Einzelgesprächen sollten deshalb finanzierbare Kompromisse mit den Sozialdemokraten vorab besprochen werden. Über Ergebnisse wurde hinterher nichts bekannt. »Ich weiß nix und ich sag nix«, erklärte der CSU-Chef.

Das »Vorsingen« der Unterhändler ist indes ein deutliches Zeichen dafür, dass es in der Union schon rumort. Insbesondere Vertreter des Wirtschaftsflügels maulen, dass die bisherigen Einigungen in den Koalitionsverhandlungen vor allem die Handschrift der SPD trügen. Groß ist bei der Unternehmerlobby die Befürchtung, dass am Ende der Koalitionsverhandlungen so viele Milliarden verteilt sind, dass dann doch die zentrale Position, Steuererhöhungen zu verhindern, aufgegeben werden muss. Auch Merkel und Seehofer wollen dies unter allen Umständen vermeiden.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte vor einigen Tagen eine mögliche Kompromisslinie aufgezeigt. Bislang sieht die von ihm entworfene mittelfristige Etatplanung für den Bund vor, ab 2015 ohne neue Schulden auszukommen und danach Überschüsse zu erzielen. In einem Interview hatte er nun aber angedeutet, das wichtigste Ziel bei der Haushaltskonsolidierung sei eine, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), sinkende Gesamtschuldenquote.

Im Klartext könnte dies heißen: Man belässt es bei einem ausgeglichenen Haushalt. Selbst dann würde die Schuldenquote sinken, wenn gleichzeitig das BIP, egal ob schwach oder stark, wächst. In Relation zu den Wahlversprechen käme dadurch aber zu wenig Geld zusammen: Für 2017 hatte Schäuble bislang ein Plus von 17 Milliarden Euro veranschlagt - das zumindest könnte von den designierten Koalitionären verteilt werden.

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