Überraschungsbesuch bei H&M

In einer »Blitz«-Aktion zum Tarifstreit suchte ver.di in mehreren Filialen das Gespräch mit Beschäftigten

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Direktes Gespräch statt Demonstration vor der Einkaufspassage: Ver.di sucht anlässlich der laufenden Tarifverhandlungen den Kontakt mit Beschäftigten im Einzelhandel.

Der Straßenzeitungsverkäufer wunderte sich über die vielen Essensspenden, die er am Montagmittag in der S-Bahn bekam. Er war auf eine Gruppe von Aktiven der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und ihrer Unterstützer getroffen, die auf dem Weg zu einer Solidaritätsaktion mit den streikenden Beschäftigten im Einzelhandel waren. Auf einer knapp dreistündigen Schulung im ver.di-Gebäude hatten sie sich zuvor auf die Aktion vorbereitet. Gegen den kleinen Hunger zwischendurch sollte ihnen ein Lunchpaket helfen, von dem nun auch der Zeitungsverkäufer profitierte.

Am Kurfürstendamm in Charlottenburg endete die Fahrt der Gewerkschafter. Filialen der Bekleidungsmarke H & M waren das Ziel. »Wir wollen mit den Beschäftigten reden, sie über die Situation im Tarifkampf informieren und ihnen deutlich machen, dass dort auch über ihre Löhne und Gehälter verhandelt wird«, erklärte Franziska Bruder. Sie ist Organisatorin bei ver.di und für den »Blitz« verantwortlich, wie die Aktion vom Montag gewerkschaftsintern genannt wird. Der Ort blieb bis kurz vor Beginn geheim, damit das Unternehmen nicht gewarnt ist.

Die Aktion wurde bereits seit Wochen vorbereitet, so gab es Ende Oktober beispielsweise eine Veranstaltung in der Humboldt-Universität. Dort hatten sich neben ver.di-Gewerkschaftern auch Studierende und Aktivisten sozialer Initiativen eingefunden. »Der Einzelhandelsstreik ist nicht nur eine Sache der Beschäftigten. Auch wir Kunden sind daran interessiert, dass die Beschäftigten gut bezahlt werden und nicht ständig im Stress sind«, erklärte Marion Schneider gegenüber »nd«. Sie ist im Berliner Blockupy-Bündnis aktiv, das Anfang Juni in Frankfurt am Main mehrtägige Krisenproteste vorbereitete. Dazu gehörten auch Solidaritätsaktionen mit den Einzelhandelsbeschäftigen auf der Zeil. Seit einigen Monaten unterstützt das Blockupy-Bündnis die Beschäftigen in Berlin. In den vergangenen Wochen gab es bereits mehrere kleinere Solidaritätsaktionen. Die Blitz-Aktion am Montag war auch für Schneider eine Premiere.

Gemeinsam mit 25 weiteren Teilnehmern sprach sie Beschäftigte der Filiale an. Derweil erklärte Franziska Bruder dem Filialchef, dass es sich um eine ver.di-Aktion in den laufenden Tarifauseinandersetzungen handelt und daher durch das Betriebsverfassungsgesetz gedeckt ist. Der Filialchef war nicht so recht überzeugt und suchte bei einer höheren Instanz Rat.

Mittlerweile waren die Aktivisten in Gespräche mit den Beschäftigten vertieft. Vor der Kasse hatte sich eine kleine Schlange gebildet. Nach knapp 20 Minuten war die Aktion beendet und vor dem Eingang wurde ein kurzes Resümee gezogen Die Resonanz sei überwiegend positiv gewesen, nur ein Beschäftigter habe es abgelehnt, mit den Gewerkschaftern zu reden. Das Infomaterial sei überwiegend positiv angenommen wurden. Eine Beschäftigte habe ihre Handynummer für weitere Kontakte abgegeben.

Es wurden aber auch die Probleme deutlich, die für die Beschäftigten durch die Zersplitterung der Tariflandschaft entstanden sind. So erklärte ein ehemaliger Betriebsrat, er sehe für ein einheitliches Handeln schwarz, weil die Teilzeitkräfte nicht mitziehen würden. Bevor die Gruppe zur nächsten H & M-Filiale ging, betonte Bruder noch, es sei ein gutes Ergebnis, in der kurzen Zeit mit elf Kollegen gesprochen zu haben. »Mit der Aktion sollen auch die Beschäftigten motiviert werden, die sich gewerkschaftlich interessieren wollen.« Wie viele andere Unternehmen gehe auch H & M gegen Gewerkschafter juristisch vor. So wurde erst kürzlich in einer Trierer H & M-Filiale ein langjähriges Betriebsratsmitglied gekündigt.

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