Werbung

Europäische Bewegung lebt auf

Kelly Mulvaney von der Blockupy-Plattform Berlin über den Protest gegen die Krisenpolitik

  • Lesedauer: 4 Min.
Zur Blockupy-Aktionskonferenz am kommenden Wochenende in Frankfurt am Main kommen VertreterInnen von emanzipatorischen Gruppen, darunter die Interventionistische Linke, Attac, Occupy Frankfurt und das Erwerbslosen-Forum Deutschland, außerdem Gewerkschaften und die Linkspartei. Mit Kelly Mulvaney von der Blockupy-Plattform Berlin sprach John Malamatinas.

nd: Wo steht Blockupy heute?
Mulvaney: Seit der ersten Mobilisierung nach Frankfurt am Main 2012 wird Blockupy immer mehr im europäischen Ausland als Plattform eines Anti-Austeritätsprotests in Deutschland wahrgenommen. Heute ist Blockupy Teil einer internationalen Bewegung, die deutlich »Nein« sagt zur herrschenden Politik der Europäischen Union und in der ein ernsthafter Austausch darüber stattfindet, wie Europa im Interesse der Bevölkerung - verstanden als all diejenigen, die in Europa leben - anders organisiert werden könnte.

Was ist der Kern der Kritik der Blockupy-Bewegung an fünf Jahren Austeritätspolitik?
Nach Auslösung der Staatsschuldenkrise in Europa 2008 wird im umkämpften Raum der EU der Sozialstaat und die bürgerliche Demokratie weiter ausgehöhlt. Eine neoliberale Politik versucht durch zunehmende Privatisierung öffentlicher Güter und die weitere Liberalisierung der Arbeitsverhältnisse und Militarisierung des Grenzenregimes Merkels Aufforderung zur »marktkonformen Demokratie« umzusetzen. Dabei wächst die Spaltung zwischen den Bedürfnissen der Menschen, die in immer prekäreren Verhältnissen ihr Leben organisieren müssen, und der herrschenden Politik, die ihnen ihre Lebensgrundlagen entzieht. Der Widerspruch zwischen Demokratie - verstanden als Mitbestimmung und Teilhabe an der politischen und ökonomischen Organisierung der Gesellschaft - und dem Profitregime des Kapitalismus wird immer deutlicher.

Wer ist bei der internationalen Blockupy-Konferenz am kommenden Wochenende in Frankfurt dabei?
Vertreter des Kommuikationskomi-tees der Plaza del Sol aus der 15M-Bewegung in Madrid, der besetzten Fabrik VIO.ME aus Griechenland, Syriza, von attac-Gruppen aus Ungarn, Spanien und Griechenland sowie Occupy London und der metropolitanen Versammlung von sozialen Zentren in Rom nehmen an den vielfältigen Workshops teil bzw. haben diese mit organisiert.

Was erwartet die TeilnehmerInnen der Konferenz?
Freitag um 14 Uhr geht es mit einer Demonstration los, um die Vertreter aus Politik und Wirtschaft, die sich bei der »Euro Finance Week« in Frankfurt über den Finanz- und Versicherungsstandort Deutschland austauschen, in der Blockupy-Stadt willkommen zu heißen. In Workshops am Samstag geht es beispielsweise darum, wie Blockupy mit Kämpfen wie den Flüchtlingsprotesten oder »Recht auf Stadt« verknüpft werden kann. Danach soll es einen gemeinsamen Austausch darüber geben, welche Rolle Blockupy 2014 im Kontext der europäischen Krise und Proteste hat.

Von mancher Seite wird kritisiert, dass Blockupy nur »Eventpolitik« sei. Natürlich gibt es bei Mobilisierungen wie Blockupy Spannungen zwischen Event und Prozess. Das ist aber kein Widerspruch per se und kann im Gegenteil sehr produktiv sein. An vielen Orten wird bereits versucht, die Inhalte von Blockupy mit lokalen Kämpfen in Verbindung zu bringen. Die Blockupy-Plattform in Berlin beteiligt sich beispielsweise am Unterstützungskreis der laufenden Streiks im Einzelhandel. Das Bündnis Blockupy NRW beschäftigt sich in Köln mit lokalen Wohnraumkämpfen. Dennoch bleibt die Verbindung zwischen der europäischen Krisenpolitik und den Lebensbedingungen der Menschen in der BRD für viele zunächst abstrakt, obwohl Sparpolitik in der BRD nichts Fremdes ist. Eine Frage auf der Aktionskonferenz, die schon auf der Agora99 in Rom gestellt wurde, wird sein, wie wir einfach und alltagsnah die politische Rolle der EZB vermitteln könnten.

Wie verbindet sich Blockupy mit anderen Bewegungen in Europa?
Nach Blockupy 2012 haben viele vor allem internationale TeilnehmerInnen in Auswertungsberichten gesagt, dass Blockupy nach dem Einschlafen der Strukturen der AlterSummit-Bewegung der europäischen Bewegung wieder Leben eingehaucht hat. Aus einer internationalen Versammlung bei den ersten Blockupy-Aktionstagen 2012 ist das internationale Bewegungstreffen Agora99 entstanden, das zum ersten Mal im November 2012 in Madrid und zuletzt in Rom stattgefunden hat. Die Vernetzung findet einerseits auf unterschiedlichen internationalen Treffen statt, wie der Agora99 oder dem Alter-Summit. Andererseits versucht Blockupy selbst internationale Kommunikationsräume herzustellen.

Einige Workshops beschäftigen sich mit Rassismus in Europa, dem europäischen Grenzregime und antirassistischen Antworten wie der Selbstorganisierung von Flüchtlingen. Welche Rolle spielt Blockupy auf diesem Feld?
Das Blockupy-Bündnis hat ein klares antirassistisches Selbstverständnis. Dieses Jahr gab es eine Aktion am Rhein-Main-Flughafen gegen Abschiebung und Dublin II. Es ist klar, dass die Migrations- und Asylpolitik und die Krisenpolitik der EU miteinander verzahnt sind bzw. in einander übergehen. Aber europaweit und auch in der BRD finden Organisierung und transnationale Vernetzung um Bewegungsfreiheit und Antirassismus einerseits und um Anti-Austerität und Demokratie andererseits viel zu oft parallel statt. Auf der Aktionskonferenz soll nicht nur darüber diskutiert werden, wie diese Kämpfe sich gegenseitig stärken bzw. man sie gemeinsam koordinieren könnte. Es soll auch darum gehen, wie Konzepte zu sozialen Rechten und (Staats-) Bürgerschaft neu und inklusiv gedacht werden können.

Alles scheint sich auf die EZB-Eröffnung in Frankfurt zu fokussieren, aber gibt es auch andere Pläne?
Konkreter kann diese Frage sicherlich nach der Aktionskonferenz beantwortet werden. Das Bündnis hat es aber auch schon mehrmals so zusammengefasst: »Sie wollen Kapitalismus ohne Demokratie. Wir wollen Demokratie ohne Kapitalismus!«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal