Athen: Wieder drastische Kürzungen im Sozialbereich

Troika macht weiter Druck auf Griechenland / Parlament billigt Einschnitte im Gesundheitswesen und bei der Sozialversicherung / Syriza: Eine Tragödie

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Athen. Nach fünftägiger kontroverser Debatte hat das griechische Parlament einen drastischen Kürzungsaushalt für das kommende Jahr gebilligt. Die Vorlage wurde in der Hauptstadt Athen in der Nacht zum Sonntag mit 153 Stimmen angenommen, wie die Parlamentspräsidentschaft mitteilte.

Die zwei größten Gewerkschaftsverbände des privaten und des öffentlichen Sektors hatten am Abend zu einer Demonstration vor dem Parlament in Athen aufgerufen. Die Regierung habe den Haushalt »auf den Trümmern des Sozialstaates gebaut«, erklärten die Gewerkschaften. »Nein zu den neuen Kürzungen im Bereich Gesundheit, Renten und Löhne«, hieß es. An der Demonstration nahmen deutlich weniger Menschen teil, als die Gewerkschaften hofften. Die Polizei schätzte deren Zahl auf etwa 300. Die Kundgebung löste sich etwa eine Stunde nach ihrem Beginn auf, berichteten Augenzeugen.

Im Zuge der Finanzkrise hatte es dort seit dem Jahr 2010 wiederholt Massendemonstrationen gegeben, in jüngster Zeit ließ die Beteiligung an solchen Kundgebungen jedoch nach.

Unter den Teilnehmern am Samstag war der Oppositionsführer und Vorsitzende der linken Partei Syriza, Alexis Tsipras. Griechenland durchlebe eine »Tragödie«, sagte er. »Sie sagen, Sie haben uns im Euro gehalten, aber Sie haben die Euros und den Besitz der Griechen konfisziert«, rief Tsipras den Abgeordneten der Regierungskoalition aus Konservativen und Sozialisten zu. Er warf der Regierung zudem vor, noch Änderungen am Haushalt zu planen. Der Etat habe noch nicht die Zustimmung der Geldgeber-Troika. Dies werde zwangsweise zu neuen Sparmaßnahmen führen, die bislang »verborgen« seien.

Tsipras kritisierte die Regierung scharf: »In diesem Land sind die Arbeitslosen und die Rentner 4,6 Millionen. Nur 3,6 Millionen arbeiten, und die haben fast die Hälfte ihres Einkommens verloren. 700 000 Menschen werden nicht rechtzeitig bezahlt.« Tausende Menschen hätten kein Licht, weil sie die Stromrechnung nicht bezahlen können. Die Regierung habe es zwar geschafft, dass der Staat im Euroland bleibt, doch die Griechen hätten keine Euro mehr.

Kurz vor der Abstimmung hatte die Gläubigertroika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds noch einmal den politischen Druck auf das Land erhöht und die Auszahlung einer Hilfstranche in Höhe von einer Milliarde Euro eingefroren. Zudem werde eine für kommende Woche geplante Prüfmission nach Athen auf Januar verschoben, teilte die EU-Kommission am späten Samstag in Brüssel mit.

Zur Begründung hieß es, so genannte Reformen, die zugesagt gewesen waren, seien noch nicht umgesetzt. »Die Diskussionen über Sachfragen« würden in der kommenden Woche fortgesetzt, ließ EU-Währungskommissar Olli Rehn mitteilen. »Wir hoffen, dass die Verhandlungsführer im Januar nach Athen reisen können, wenn die Regierung Fortschritte bei der Umsetzung der Reformen gemacht hat«, hieß es.

Die griechische Regierung führt seit September schwierige Verhandlungen mit der Troika über Reformen, von denen die Auszahlung der nächsten Hilfstranche abhängt. Das Thema wird beim Treffen der Finanzminister der Eurogruppe am Montag in Brüssel auf der Tagesordnung stehen.

Das nun vom Athener Parlament verabschiedete Budget sieht zusätzliche 2,1 Milliarden Euro durch Steuereinnahmen vor. Zudem sollen die Ausgaben durch Einschnitte im Gesundheitswesen und bei den Sozialversicherungen um 3,1 Milliarden Euro gesenkt werden. Die Regierung rechnet damit, dass Griechenland im kommenden Jahr wieder ein leichtes Wirtschaftswachstum erzielen könnte.

Die Koalitionsregierung aus der konservativen Nea Dimokratia von Regierungschef Antonis Samaras und der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok) verfügt mit 154 von 300 Abgeordneten über eine knappe Mehrheit im Parlament. Die Verabschiedung des Haushalts wurde daher erwartet. Samaras warb jedoch noch einmal vehement für das Budget und verwies auf erzielte Erfolge.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte Samaras bei einem Treffen am Mittwoch in Brüssel ermahnt, mehr Anstrengungen bei der Haushaltssanierung und der Privatisierung von Staatsvermögen zu unternehmen. Zudem forderte er, Reformen im Bereich der Steuern und der öffentlichen Verwaltung zu beschleunigen. Agenturen/nd

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