Lässt sich der Heilbronner Polizistenmord klären?

Münchner Oberlandesgericht packt im NSU-Prozess das Thema Michele Kiesewetter an

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Kurz vor Beginn der heutigen Verhandlung gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer der NSU-Neonazi-Terrororganisation zeigt sich großes Interesse. Sämtliche Tribünenplätze für Medienvertreter und andere Zuhörer sind besetzt.

Nach langer Zeit sind vor dem Gerichtsgebäude in der Nymphenburger Straße in München wieder Überrtragungswagen aufgestellt worden. Die zahlreichen offenen Fragen zum Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter stellen das Gericht vor große Herausforderungen. Es fragt sich, ob der Senat den Darstellungen der Bundesanwaltschaft folgen wird. Die Ankläger halten die Polizistin für ein zufälliges Opfer der rechtsextremistischen Terroristen.

Die Ankläger der Bundesanwaltschaft haben es satt: Immer wieder wirft man ihnen vor, dass die Ermittlungsergebnisse im Fall des Mordes an der Polizeibeamtin Michele Kiesewetter 2007 in Heilbronn mehr als nur dünn sind. Kiesewetter und ihr Kollege Martin Arnold, der schwer verletzt worden war, seien genauso willkürlich als Opfer ausgewählt worden, wie die neun Migranten, die nach Ansicht der Ermittler von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Nürnberg, München, Kassel, Dortmund oder Rostock. umgebracht worden sind. Die NSU-Terroristen, zu denen die in München angeklagte Beate Zschäpe gehört, wollten den Staat und vor allem die von ihnen gehasste Polizei treffen.

Möglich, dass es so ist. Möglich aber auch, dass Kiesewetter, die aus Oberweißbach stammt, bewusst ausgewählt wurde. Ausgerechnet in dem Thüringer Ort rotteten sich mehrfach Neonazis zusammen, ein Jahr vor dem Anschlag in Heilbronn fand dort auch ein doch ein Neonazi-Konzert statt. Zudem hatte ein Schwager des als NSU-Helfer Angeklagten Ralf Wohlleben in dem Ort eine Gaststätte gepachtet. Der eingestellte Koch hieß Apel, so wie der Mädchenname von Beate Zschäpe lautet. Alles Zufall, sagen die Ankläger. Dieser Apel sei mit Zschäpe – anders als 2011 behauptet – der nun Angeklagten verwandt. Doch es gibt auch in Baden-Württemberg zahlreiche Hinweise, aus denen sich schließen ließe, dass die junge Polizistin den Terroristen irgendwie zu nahe gekommen ist. Ein Vorgesetzter Kiesewetters bei der Bereitschaftspolizei soll dem deutschen Ableger der Neonazi-Gruppe Ku-Klux-Klan angehört haben, die offenbar vom Verfassungsschutz in Stuttgart initiiert worden war. Zudem gibt es zahlreiche – bislang nur wenig ergründete Beziehungen thüringischer und sächsischer Neonazis zu Gleichgesinnten in Baden-Württemberg. Das NSU-Trio Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe ließen sich es dort mehrfach gut gehen.

Die Kernfrage vor der jetzt auch das Gericht steht, könnte auch lauten: War ihr Streifenkollege, der damalige Polizeimeister Arnold das eigentliche Anschlagsziel?

Man sei auch den entferntesten Hinweisen nachgegangen, sagt Bundesanwalt Herbert Diemer. Man sei nur Spekulationen begegnet. Mag sein, doch das, was er Anklage nennt, besteht aus kaum etwas anderem.

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