Sankaras Erbe ist verblasst

Bioanbau oder Gentechnik? Endogene Entwicklung ist in Burkina Faso kein Thema mehr

  • Sarah Lempp
  • Lesedauer: 4 Min.
Um die wachsende Bevölkerung Burkina Fasos zu ernähren, sind Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft unumgänglich. Wie sie zu erreichen sind, daran scheiden sich die Geister.

Mehr Bioanbau oder mehr Gentechnik? Die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) gehört zu den Befürwortern des zweiten Ansatzes. Die Organisation wurde 2006 von der Bill & Melinda Gates-Stiftung und der Rockefeller-Stiftung gegründet und ist mittlerweile in 14 afrikanischen Ländern aktiv. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Förderung von »verbessertem« Saatgut, was in der Regel Hybridsaatgut bedeutet. Es bringt zwar höhere Erträge, ist aber bereits in der zweiten Fruchtfolge steril. Die Bauern und Bäuerinnen können daher kein eigenes Saatgut gewinnen, sondern müssen es jedes Jahr erneut von Saatgutherstellern kaufen.

Eines der Unternehmen, die die AGRA in Burkina Faso fördert, ist das Saatgutunternehmen Nafaso. Alfred Sawadogo, der technische Direktor von Nafaso, empfängt uns in seinem Büro in Bobo-Dioulasso, der zweitgrößten Stadt Burkina Fasos. An der Wand hinter ihm prangt ein Banner mit dem Spruch: »Wer die verbesserten Samen von Nafaso kauft, trägt zur Ernährungssicherheit und zur Grünen Revolution in Afrika bei.« »Verbessertes« Saatgut ist auch bei Nafaso in der Regel hybrid. Das Unternehmen verfügt mittlerweile über ein großes Netz von Samenproduzenten: 2011 und 2012 lag die Produktion jeweils bei 2000 Tonnen, Sawadogo zufolge nutzen etwa eine Million Bauern und Bäuerinnen in Burkina Samen von Nafaso.

Der Publizist Peter Clausing weist darauf hin, dass dieses »verbesserte« Saatgut immer mit Hilfe lokaler Bauern und Bäuerinnen entwickelt wurde. Sie stellen kostenloses Saatgut von Pflanzensorten zur Verfügung, die über Generationen lokal angepasst und gezüchtet wurden. Die Konzerne entwickeln daraus dann Saatgut, das nicht nur teurer ist und mehr Dünger benötigt, sondern oft auch noch patentiert ist - ein klassischer Fall von Biopiraterie.

Kritiker und Kritikerinnen des Projekts, wie etwa die internationale, keinbäuerliche Organisation Via Campesina, bezeichneten die AGRA daher von vorn herein als trojanisches Pferd. Denn durch sie »sollen in der afrikanischen Landwirtschaft patentgeschützte Sorten, Gentechnik und marktwirtschaftliche Abhängigkeiten verankert werden«, so Clausing.

Auch Rabah Lahmar steht dem Ansatz von AGRA skeptisch gegenüber. Der französische Wissenschaftler arbeitet seit mehreren Jahren in Burkina Faso. Er sieht die trockenen, nährstoffarmen Böden Burkina Fasos als zentrales Hindernis für die Landwirtschaft und glaubt nicht, dass Dünger und Hybridsaatgut der richtige Ansatz sind, um diesen Böden höhere Erträge abzutrotzen.

Aktuell untersucht er auf einem Versuchsfeld in der Nähe der Hauptstadt Ouagadougou, welche Vorteile der kombinierte Anbau einer sehr alten Leguminosensorte mit Sorghum-Hirse bringt. Bisher zeitigt das ganze sehr gute Ergebnisse: Die Pflanzen auf dem Versuchsfeld sind hochgewachsen und auch jetzt noch, nach Ende der Regenzeit, grün. Im letzten Jahr erbrachte das Feld eine Ernte von 1,5 Tonnen pro Hektar - normalerweise erntet ein Bauer hier durchschnittlich 500 Kilogramm pro Hektar. »Viele Bauern, die unser Feld gesehen haben, dachten, wir würden mit Gentechnik oder künstlicher Bewässerung arbeiten«, berichtet Lahmar lachend.

Angebaut wird die Sorghum-Hirse mit der zaï-Methode, der zentralen ökologischen Anbautechnik im westlichen Sahel. Dabei werden mit einem Grabstock kleine Löcher ausgehoben und mit Kompost gefüllt. Durch ihre Grabaktivitäten tragen im Boden lebende Termiten den Kompost in den Boden hinein und lockern diesen außerdem auf, sodass leichter Wasser eindringen kann. Mit dieser einfachen, aber sehr effektiven Anbaumethode lassen sich die Erträge auf den kargen Böden Burkina Fasos deutlich verbessern. Gleichzeitig braucht diese Technik wenig externe Inputs und ist so für Kleinbauern und -bäuerinnen leicht umsetzbar.

Angesichts der schwachen Ökonomien und geringen Investitionen im landwirtschaftlichen Sektor Westafrikas seien ökologische Ansätze somit eine günstige Möglichkeit, die Erträge zu steigern, so Lahmar. Zudem könne man ja in Europa die katastrophalen Folgen von zu wenig ökologischer Landwirtschaft beobachten. »Die Landwirtschaft der Zukunft wird in erster Linie ökologisch sein«, ist der Franzose daher überzeugt.

An dieser Zukunft wird auch in Korsimoro gearbeitet, 80 Kilometer nördlich von Ouagadougou. Dort fördert die Organisation AVAPAS seit über 20 Jahren ökologische Landwirtschaft, indem sie Bauern und Bäuerinnen schult und untereinander vernetzt. Ein zentrales Ziel sei außerdem, »lokales Wissen aufzuwerten, das seit der Kolonisierung entwertet wurde«, erklärt der Präsident von AVAPAS, Sylvain Korogo. Korogo bezeichnet sich als den ersten Schüler von Pierre Rabhi, dem französisch-algerischen Schriftsteller und Landwirt, der in vielen nord- und westafrikanischen Ländern ökologische Anbaumethoden bekannt gemacht hat. Rabhi beeinflusste Korogo zufolge mit seinen Ideen einer endogenen Entwicklung die Landwirtschaftspolitik des charismatischen, linken Präsidenten Thomas Sankara, der Burkina Faso von 1983 bis zu seiner Ermordung 1987 regierte.

Was Sankara wohl heute zur Entwicklung der Landwirtschaft in Burkina Faso sagen würde? Korogo jedenfalls ist enttäuscht von Sankaras Nachfolger Blaise Compaoré, der das Land bis heute regiert. Zwar unterstütze die Regierung ökologische Ansätze auf einer rhetorischen Ebene; praktisch fördere sie aber die konventionelle Landwirtschaft.

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