Verein will Homosexuelle »heilen«

Namhafte CDU-Politiker aus Sachsen-Anhalt sitzen im Kuratorium des dubiosen LEO e.V.

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Verein in Sachsen-Anhalt bietet Seminare an, in denen Homosexuelle »therapiert« werden sollen. Im Kuratorium sitzt unter anderem Ex-Ministerpräsident Christoph Bergner von der CDU.

Am 25. September 1997 gab es im Landtag von Sachsen-Anhalt eine hitzige Debatte. Drei Wochen zuvor hatte das Parlament einen Antrag behandelt, der Nachteile für Schwule und Lesben abbauen sollte. Dabei hatte ein Zwischenrufer aus der CDU-Fraktion für einen Eklat gesorgt. Die Feststellung einer Abgeordneten, wonach Homosexuelle in der NS-Zeit hinter Gittern gelandet wären, hatte er mit dem Wort »Richtig!« kommentiert.

Die PDS sah damals Anlass zur Aussprache, die zur Grundsatzdebatte über die Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften geriet. Die CDU sehe darin offenbar eine »Bedrohung für das Gemeinwohl«, sagte der PDS-Politiker Wulf Gallert - und erntete einen entwaffnend offenen Zwischenruf von Ex-Ministerpräsident Christoph Bergner: »So ist es«, sagte der laut Protokoll. Fraktionskollege Jürgen Scharf, später CDU-Fraktionschef, sprang ihm bei. Die Feststellung, die CDU wehre sich gegen eine »Einebnung« unterschiedlicher Lebensformen, kommentierte er mit »Richtig!«

Die Debatte vor gut 16 Jahren wird wieder in Erinnerung gerufen durch Berichte über die Aktivitäten eines Vereins, der im Süden Sachsen-Anhalts aktiv ist und Seminare anbietet, die auch dazu dienen sollen, Homosexuelle zu »heilen«. Der Verein namens »LEO e.V«, der seiner Internetseite zufolge »Lebensorientierung und Unterstützung aus christlicher Verantwortung« anbietet, hat seinen Sitz in Bennungen im Südharz. Er wird geleitet von Bernhard Ritter, einem evangelischen Pfarrer, der von 1990 bis 1998 für die CDU im Magdeburger Landtag saß.

Der Verein hat ein Kuratorium, das, wie es heißt, die »Belange des Vereins in der Öffentlichkeit« mitträgt. Zu den Mitgliedern gehören: Christoph Bergner und Jürgen Scharf. Die Aktivitäten des Vereins wurden jetzt publik durch Berichte des MDR-Magazins »Fakt« und der »Mitteldeutschen Zeitung« (MZ). Demnach werden in Bennungen »pastoralpsychologische Seminare« über »Schritte auf dem Weg zur Freiheit aus zwanghaften Gefühlen« angeboten, in denen nach Teilnehmeraussagen auch die »Heilung« von Homosexualität eine Rolle spielt. Der Verein beruft sich nach eigener Auskunft auf Theorien des Niederländers Gerard van den Aardweg. Der vertrat wiederholt die These, dass Homosexualität eine »Funktionsstörung« sei - so auch in einer Anhörung des Gleichstellungsausschusses im Magdeburger Landtag in der zweiten Wahlperiode. Dort nannte er die Feststellung, bei der Homosexualität handle es sich um eine normale Variante der Geschlechterbeziehungen, eine »Unwahrheit«. CDU-Mann Ritter selbst hatte 1996 in einem Buch von Homosexualität als »Entwicklungsstörung« gesprochen.

Derlei theoretische Positionen wirken heute selbst in CDU-Kreisen anachronistisch. Um so mehr verwundert, dass Scharf und Bergner den Verein durch die Mitwirkung im Kuratorium aufwerten: LEO freut sich in einer Selbstdarstellung über Unterstützung durch »anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens«. Der Nachrichtenagentur dpa sagte Bergner gestern, er distanziere sich von den Thesen, wolle aber im Kuratorium weiter mitwirken. Der Verein müsse einen Weg finden, mit Ritters Auffassungen umzugehen. Den CDU-Fraktionschef André Schröder, der eine Mitarbeit im Kuratorium zugesagt haben soll, hatte »Fakt« zunächst mit dem Hinweis zitiert, dass der Verein »bürgerschaftlich sehr aktiv« sei. Gestern stellte er bei »MDR Info« aber klar, »LEO e.V.« müsse seine Position zum Thema klären. Bis dahin könne er diesen nicht weiter unterstützen.

Die Landespolitik wird sich am morgigen Freitag mit der Angelegenheit befassen. Die LINKE hat eine Aktuelle Stunde zum Thema Homophobie beantragt - und zwar mit ausdrücklichem Hinweis auf die Aktivitäten des »LEO e.V«. Der Verein ist im übrigen Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband - wo man entsetzt reagierte. Landesgeschäftsführerin Gabriele Girke sagte der MZ, man wolle umgehend über einen Ausschluss beraten.

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