Das virtuelle Portemonnaie ist leer

Nach dem Zusammenbruch der Bitcoin-Börse MtGox beginnt die Ursachensuche

  • Susanne Steffen, Tokio
  • Lesedauer: 3 Min.
Das plötzliche Verschwinden der größten Bitcoin-Börse der Welt hat die internationale Online-Gemeinde in Aufruhr versetzt.

Erneut gibt es negative Schlagzeilen um die virtuelle Währung Bitcoin. Nachdem die Internetseite der Bitcoin-Börse MtGox am Dienstag nicht zu erreichen war, finden die Nutzer seit Mittwochmorgen nun eine knappe Mitteilung. Darin erklären die Betreiber, sie hätten angesichts der Berichterstattung über ihr Unternehmen beschlossen, ihre Dienste bis auf weiteres einzustellen, um ihre Nutzer zu schützen. Die japanischen Finanzbehörden nahmen Ermittlungen auf. Es gehe zunächst darum, das ganze Ausmaß zu erfassen, sagte ein Regierungsvertreter vor Journalisten.

Von den Betreibern der mit mehr als 1,1 Millionen Konten größten Bitcoin-Börse fehlt seither jede Spur. Das Tokioter MtGox-Büro sei leer, berichten Medien. Zumindest am Dienstag sei CEO Mark Karpeles auch nicht in seiner schicken Wohnung im Tokioter In-Viertel Shibuya anzutreffen gewesen. Berichten zufolge quillt sein Briefkasten bereits über.

Vor dem Firmensitz demonstrierte eine Handvoll Nutzer, die sich um den Verbleib ihrer Anlagen sorgen. »Mein Geld ist weg«, klagte der Brite Colin Burges. »MtGox hat uns lange betrogen und in dem Glauben gelassen, dass alles in Ordnung ist«, so Burges, der nach eigenen Angaben mehr als 320 000 Dollar angelegt hat. Großdemos wird es aber wohl nicht geben - schließlich habe sich die virtuelle Währung in Japan noch kaum durchgesetzt, so Kommentatoren.

Eigentlich waren die Bitcoins dazu gedacht, Zahlungen bei Online-Händlern zu vereinfachen. Mache Anhänger verklären sie zu einer Alternative zum herrschenden, staatlich kontrollierten Geldsystem. Dies lockte Kriminelle an, die Bitcoins zur Geldwäsche nutzen. Längst sind sie auch zu einem Spekulationsobjekt mit stark schwankenden Kursen geworden: Investoren kaufen Bitcoins gegen Dollar oder Yen und deponieren ihr Cybergeld bei Börsen wie MtGox in »Online-Portemonnaies«. Das Verschwinden von MtGox entspricht quasi einem Bankenzusammenbruch in der realen Welt.

MtGox steckte schon länger in der Krise. Anfang Februar hatte das Unternehmen seine Kundentransaktionen gestoppt - mit der Begründung, es gebe technische Probleme. Anfang dieser Woche machte ein Dokument die Runde, laut dem MtGox durch Hackerangriffe 744 000 Bitcoins verloren habe, was zuletzt etwa 350 Millionen Dollar entsprach, und insolvent sei. Allerdings sind Herkunft und Korrektheit des Dokuments unklar.

Andere Bitcoin-Börsen wehren sich gegen den Vorwurf, mit dem jüngsten Skandal sei die alternative Währung gestorben. Der MtGox-Zusammenbruch sei ein »tragischer Bruch des Vertrauens unserer Nutzer«, erklärten die Vertreter in einer gemeinsamen Erklärung. »Wie in jeder Industrie gibt es bestimmte schlechte Akteure, die ausgemerzt werden müssen.«

Analyst Hiroyuki Miyawaki vom Japan Research Institute forderte Gesetze, damit Bitcoin-Gewinne versteuert werden. Auch über weitere Regulierungsmöglichkeiten sollte diskutiert werden, denn ein Ende von Bitcoin und anderer Cyber-Währungen sei trotz der jüngsten Skandale nicht abzusehen. »Diese Bewegung lässt sich nicht stoppen«, sagte Miyawaki in der Zeitung »Nikkei«.

Doch das Risiko gehört wohl zum Spiel. Auch MtGox-Chef Karpeles hat nie einen Hehl daraus gemacht: »Wenn Sie Bitcoins kaufen, sollten Sie immer bedenken, dass ihr Wert am nächsten Tag Null sein kann«, erklärte er vor knapp einem Jahr gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Und beteuerte, sein Unternehmen sei besonders vertrauenswürdig.

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