Von B7 auf Hartz IV abrutschen?

Ein Ex-Staatssekretär klagt auf 71 000 Euro Übergangsgeld, doch die Chancen sind gleich Null

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Zehn Monate und zehn Tage war der Mann im Amt, dann setzte ihn seine Chefin auf die Straße. Nun verlangt er vor Gericht ein Übergangsgeld vom Land Berlin.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Kurt-Christoph von Knobelsdorff wurde im Dezember 2011 bei der Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz als Staatssekretär ins Amt geholt. Als der Regierende Bürgermeister die Senatorin rauswarf und sie durch Cornelia Yzer austauschte, setzte diese am 30. Oktober 2012 den dazugehörigen Staatssekretär an die frische Luft. Das durfte sie, denn der Staatssekretär a.D. war ein politischer Beamter auf Probe und kein Jahr im Amt. Beamte auf Probe müssen eine sofortige Kündigung ohne Wenn und Aber hinnehmen. So sagt es das Gesetz. Das hat von Knobelsdorff auch akzeptiert. Nicht aber, dass er nach seinem Rauswurf völlig leer ausgehen soll.

Schließlich hatte er für das Amt einen gut bezahlten Job bei der Industrie- und Handelskammer aufgegeben. So verlangt er von seinem letzten Arbeitgeber, dem Senat, für die mehr als zehn Monate ein Übergangsgeld von rund 71 000 Euro. Da die Senatsverwaltung dies ablehnte, zog er vor das Verwaltungsgericht.

In seiner kurzen Laufbahn als politischer Beamter auf Probe bezog er die Besoldungsstufe B7 mit einem monatlichen Salär von 8914 Euro. Als er entlassen wurde, meldete er sich bei der Arbeitsagentur arbeitslos und erhielt monatlich 1900 Euro ALG 1. Nach einem Jahr landete er wieder bei der Industrie- und Handelskammer, demnächst wechselt er in das Wirtschaftsministerium von Schleswig-Holstein als Abteilungsleiter. Obwohl der soziale Abstieg nicht eintrat, war es für ihn dennoch ein Absturz. In der Arbeitslosenzeit musste er auf seine Rücklagen zurückgreifen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, erklärte er dem Gericht.

Aus seiner Sicht müsse auch einem Beamten auf Probe eine Übergangsregelung zustehen. Doch das Gesetz ist eindeutig, belehrte ihn die Kammer. 1998 wurde das Beamtenversorgungsgesetz mit dem Ziel neu gefasst, ausufernden Versorgungsansprüchen von Beamten einen Riegel vorzuschieben. Während Beamte auf Lebenszeit dumm, faul und gefräßig sein dürfen, um am Ende doch versorgt zu werden, ist die Rechtslage bei Beamten auf Probe anders. Ein Jahr müssen sie mindestens ihren Job machen, um Ansprüche anmelden zu können. Doch bei Knobelsdorff waren es eben nur zehn Monate und zehn Tage.

Ungerecht sei es auch, dass der Senat ihn aufgefordert habe, für einen Monat zu viel gezahltes Geld wieder zurückzuzahlen. »Das haben Sie mit Reichskanzler Bismarck gemeinsam«, konnte sich der Senatsvertreter nicht verkneifen. Der wurde auch aufgefordert, Bezüge zurückzuzahlen, nachdem er entlassen worden war.

Knobelsdorff ist insofern besser dran, als dass ihm die Verwaltung diese Rückzahlung von fast 9000 Euro erlassen hat. Bei ALG II-Empfängern ist das Land nicht ganz so großzügig. Da wird um jeden Cent gefeilscht.

Der Paragraf 47a sieht Übergangsregelungen vor, nicht aber bei einer so kurzen Zeit. Beamte auf Probe im unteren Dienst, etwa Polizisten oder Lehrer, würden in der gleichen Situation auch keine Übergangsgelder beanspruchen können, argumentierte das Gericht. Für Staatssekretäre könne man keine Ausnahme machen.

Knobelsdorffs Anwalt malte ein Schreckensszenario an die Wand: Wenn so etwas in Mode käme, könnten schnell hoch dotierte Beamte in Hatz IV abrutschen. Nach grandiosem Aufstieg der totale Absturz. Doch der Senatsvertreter beruhigte ihn. Als Massenphänomen dürfte kaum der Fall eintreten, dass Spitzenbeamte bei Hartz IV landeten. Zumal die Anzahl der teuersten Staatsdiener in Berlin überschaubar sei. Bisher sei kein Fall bekannt, bei dem ein Spitzenverdiener bei Hartz IV gelandet sei. Gegen Ende der Verhandlung musste der Ex-Staatssekretär einsehen, dass seine Klage keine Aussicht auf Erfolg hat, er zog sie zurück.

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