Südkoreas Präsidentin spricht von »Mord«

Kapitän und Besatzung nach dem Untergang der »Sewol« im Kreuzfeuer / Taucher bergen immer mehr Opfer / Proteste von wütenden Angehörigen

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Berlin. Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye hat das Verhalten des Kapitäns der Unglücksfähre »Sewol« nach der Havarie mit einem Mord verglichen. Der mittlerweile inhaftierte Kapitän und andere Besatzungsmitglieder hatten zu den Ersten gehört, die sich gerettet hatten. Unter dem Gesichtspunkt des gesunden Menschenverstands sei deren Verhalten unverständlich, sagte Park nach Angaben der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap am Montag bei einem Treffen mit ihren Sekretären in Seoul. »Das kommt einem Mord gleich.« Die Fähre war am Mittwoch vor der Südwestküste Südkoreas gekentert. Die Zahl der bestätigen Todesopfer erhöhte sich bis zum Vormittag (Ortszeit) auf 64. Fast 240 der 476 Insassen galten weiterhin als vermisst, die meisten von ihnen Schüler. Die Fähre war am Mittwoch vor der Südwestküste Südkoreas gekentert.

Bei einem Protest wütender Angehöriger von vermissten Passagieren kam es am Sonntag zu einem Handgemenge mit Bereitschaftspolizisten. Dutzende Angehörige wurden den Fernsehberichten zufolge daran gehindert, über eine Brücke von Chindo aufs Festland zu marschieren. Sie hätten zum Präsidentenpalast nach Seoul gewollt. »Rettet unsere Kinder!«, hätten sie dabei gerufen. Der Protest sei beendet worden, als ihnen ein Gespräch mit Premierminister Chung Hong Won zugesagt worden sei. Viele Angehörige werfen der Regierung vor, nicht genug für die Suche nach den Vermissten zu tun.

Dem Kapitän wird vorgeworfen, die Passagiere ihrem Schicksal überlassen zu haben. Die Ermittler untersuchen auch, warum die Schiffsführung keine Evakuierungsdurchsage unmittelbar nach dem Unfall gegeben hatte. Zwischen der sinkenden Fähre und der zuständigen Überwachungsstelle für den Seeverkehr auf der Insel Chindo bestand nach dem Eingang des ersten Notrufs noch etwa eine halbe Stunde Funkkontakt. Danach brach der Kontakt ab. Das geht aus einem am Sonntag von den südkoreanischen Medien veröffentlichten Mitschnitt zwischen der »Sewol« und dem Schiffsverkehrsdienst (Vessel Traffic Service) hervor. Nach etwa 20 Minuten wurde die Crew aufgefordert zu entscheiden, ob das Schiff evakuiert werden sollte. Die Fähre sank den Untersuchungen zufolge an der Stelle, an der das Schiff seinen Kurs geändert hatte. Deshalb wird untersucht, ob möglicherweise aufgrund einer zu scharfen Wende die Ladung verrutscht sein könnte, so dass das Schiff in Schieflage geriet und kenterte.

In der Nacht vom Samstag zum Sonntag hatten Taucher zum ersten Mal seit dem Untergang Leichen aus dem Innern des Wracks geborgen. Es gab keine Anzeichen auf Überlebende. Zuvor hatten die Rettungs- und Bergungskräfte nur Leichen im Wasser nahe der Unglücksstelle vor der Südwestküste Südkoreas gefunden. Während die Suche weiterging, nahmen Freunde und Angehörige in Trauerfeiern Abschied von den ersten gefundenen Todesopfern.

Fünf Tage nach dem Untergang der »Sewol« suchen die Bergungsmannschaften weiter nach Insassen. Neben Tauchern wurden auch ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge für die Suche in dem Wrack eingesetzt, wie südkoreanische Sender am Montag berichteten. An den beiden vorangegangenen Tagen war es Tauchern erstmals gelungen, ins Innere des Schiffs vorzudringen. Inzwischen hat die Regierung in Seoul zwei Regionen zu Sonderkatastrophenzonen erklärt. Betroffen sind der südliche Landkreis Jindo, vor dessen Küste sich das Unglück ereignet hatte, sowie die Stadt Ansan nahe der Hauptstadt Seoul, wie der Rundfunksender KBS am Sonntag berichtete. Unter den 475 Insassen der Unglücksfähre waren 325 Oberschüler aus Ansan. Als Katastrophengebiete haben die betroffenen Gemeinden wie auch die Familien der Unfallopfer Anspruch auf staatliche Sonderhilfen. dpa/nd

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