Monochromer Held

Nintendos erste mobile Spielekonsole Game Boy feiert ihren 25. Geburtstag

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie schafft er das? Frank Amoroso muss viele Stunden geübt und sich dabei sämtliche Finger wundgespielt haben. Auf Youtube findet sich ein Video, in dem Amoroso vorgibt, den Konsolenklassiker »Super Mario Land« in gerade einmal 12 Minuten und 15 Sekunden komplett durchgespielt zu haben. Bei zwölf Leveln wären das kaum mehr als eine Minute je Spielabschnitt. Amoroso hetzte Super Mario, den kleinen italienischen Klempner im roten Overall, durch jedes Level und würdigte die monochrome Landschaft von Sarasaland dabei wohl kaum jenes Blickes, mit dem treue Fans des Game Boys bis heute darauf schauen.

In vielen der mehr als 3000 Kommentare unterhalb des vermeintlichen Videobeweises behaupten einige User, Amoroso kann solch eine Rekordzeit nur durch Schummeln - das in der Spielerszene verhasste Cheaten mittels geheimer Tastenkombinationen, die den Spieler beispielsweise unverwundbar machen können - erreicht haben. Ganz offen mogeln tat auf dem Game Boy, Nintendos erster mobiler Spielekonsole, von den Millionen Spielern weltweit natürlich fast niemand, doch den ein oder anderen Trick kannte wohl jeder. Das Internet ist voll von Cheats für den Game Boy. Bevor es das Netz für alle gab, wurden die Schummeleien über Zeitschriften verbreitet. In den Heften fanden sich auch Cheats für selbst auf den ersten Tastendruck so simple Spiele wie Tetris.

Das Prinzip dieses inzwischen unzählige Male adaptierten Klassikers eines russisches Programmierers kennt fast jeder, selbst wer nie einen Game Boy sein Eigen nannte. Herabfallende Bauklötze in Reihe stapeln - mehr brauchte es vor 25 Jahren nicht, um dem Game Boy den Start in eine 120 Millionen verkaufte Geräte umfassende Karriere zu ebnen. Hersteller Nintendo gelang mit dem Rechteerwerb von Tetris für mobile Geräte sein erster großer Coup, der zweite folgte durch die Entscheidung, jedem Game Boy eben jenes Tetris-Spiel beizulegen. Auf den Schulhöfen staunten fortan alle Bauklötze über jene, die von ihren Eltern einen dieser neuen grauen Kästen geschenkt bekamen.

Fortan gab es besonders unter Jungen zwei Lager: Jene, die den Game Boy hatten und solche, die ihr analoges Spielzeug plötzlich öde fanden, aber keine Spielekonsole bekamen. Dabei ist der Game Boy von der ästhetischen Idee vergleichbar mit Apples erster Version des iPods, vom Handgefühl allerdings um einiges klobiger. Zwei graue Tasten, zwei pinke Knöpfe, ein Steuerkreuz, ein grün schimmerndes schwarz-weiß Display mit gerade einmal vier Graustufen, angetrieben von einem 8-Bit-Prozessor, minimalistisches Design, ohne übertriebenen Schnickschnack, aber dafür unter Beachtung des »Goldenen Schnittes« in der Kantenlänge.

Obwohl spätestens Anfang der 90er Jahre längst vermeintlich bessere technische Möglichkeiten existierten, setzte Nintendo bis 1998 auf eine mit den Jahren behäbig verbesserte Schwarz-Weiß-Optik. Im Gegensatz dazu brachte etwa Konkurrent Sega mit dem Game Gear bereits 1990 eine portable Spielekonsole mit Farbdisplay auf den Markt. Nintendo tat allerdings das, was sich aus heutiger Sicht kaum mit der kapitalistischen Logik immer kürzerer Produktzyklen vereinbaren ließe. Statt ständig neue fehleranfällige und gewöhnungsbedürftige Innovationen auf den Markt zu werfen, hielten die Japaner neun Jahre an der robusten Grundausstattung des Game Boys fest, ehe sie Farbe in ihre monochromes Universum brachten.

Inhaltlich schimmerte die darin kreisenden Welt seit ihren Anfängen ohnehin so bunt, dass Nintendos Konkurrenten lange Zeit im Angesicht von Helden wie Klempner Mario, dem Affen Donkey Kong, dem rosafarbenen Kugelmonster Kirby oder dem tapferen Helden Link aus der Zelda-Saga verblassten. Während Segas portable Konsole in Vergessenheit geriet, immigrierte dessen Vorzeigeheld Sonic auf Nintendos Spieleplattformen, wo sich der blaue Igel mit Mario und dessen Bruder Luigi bei den Olympischen Spielen im sportlichen Wettstreit misst - inzwischen jedoch in dreidimensionaler Optik, die nichts mit der räumlich tiefstapelnde Grafik des Game Boys gemein hat.

Einige Fans blieben Nintendos erster mobiler Konsole bis heute treu: Neben der beinahe unkaputtbaren Konsole hat es vielen deren monotoner Klang längst vergangener Zeiten angetan. Die charakteristische 8-Bit-Musik hält sich in unzähligen Remixes und Neukompositionen, weil es die Töne sind, die eine Generation begleiteten, während sie stundenlang über einen grauen Kasten gebeugt, neue Spielrekorde aufstellte. (Mit Agenturen)

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