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Berufsgewerkschaften gegen Tarifeinheit

Verabschiedet sich auch der DGB vom Gesetzesvorhaben? / Marburger Bund will am 1. Mai protestieren

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und der beamtenbund dbb argumentieren gegen die Tarifeinheit. Am Dienstag wollen die Koalitionsfraktionsspitzen über das Thema debattieren.

»Nicht mit uns.« Der deutsche beamtenbund und tarifunion (dbb) und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) bekräftigen ihre Ablehnung einer gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit. Darauf hatten sich CDU und SPD in ihrer Koalitionsvereinbarung verständigt. Es gehe nicht um »Details«, sondern um »grundgesetzlich verbürgte Freiheitsrechte«, heißt es in einem Papier, das dbb und MB am Montag in Berlin vorstellten.

Die Große Koalition will die Tarifeinheit nach dem Mehrheitsprinzip regeln. Damit könnte künftig nur noch die mitgliederstärkste Gewerkschaft in einem Betrieb Tarifverträge mit den Arbeitgebern aushandeln. Die kleineren Gewerkschaften wären zum Stillhalten verdonnert.

Das über Jahrzehnte praktizierte Prinzip der Tarifeinheit hatte das Bundesarbeitsgericht 2010 gekippt. Seitdem gibt es Streit um eine Neuregelung, die nicht nur die Spartengewerkschaften oder ver.di als Eingriff in Koalitionsfreiheit und Streikrecht ablehnen. »Tarifeinheit ist eine gewerkschaftliche Option und kein staatlicher Handlungsauftrag«, heißt es weiter in dem Papier von MB und dbb.

Betriebe, in denen mehrere Gewerkschaften für verschiedene Beschäftigtengruppen Tarifverhandlungen führen, sind beispielsweise die Lufthansa oder die Bahn. Piloten, Kabinenpersonal, Lokführer, Bodendienstleister haben jeweils eigene Gewerkschaften. Ähnliches gilt für Krankenhäuser, in denen beispielsweise der Marburger Bund und ver.di aktiv sind.

Derzeit befassen sich Arbeits-, Justiz- und Innenministerium mit dem Thema, um zu prüfen, wie und ob die Tarifeinheit verfassungskonform umgesetzt werden kann. »Es geht darum, bei diesem Thema größtmögliche Übereinstimmung zwischen allen Akteuren zu erzielen«, hieß es aus dem Arbeitsministerium auf nd-Anfrage. »Es gilt weiterhin, dass es beim Thema Tarifeinheit um verfassungsrechtlich komplexe Zusammenhänge geht, die sorgfältig geprüft und mit anderen Ressorts vorabgestimmt werden müssen.« Auf ihrer Klausurtagung auf dem Petersberg bei Bonn wollen die Koalitionsfraktionsspitzen mit Vertretern aus den Ministerien, dem designierten DGB-Chef Rainer Hoffmann und Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer am Dienstag auch über die Tarifeinheit reden.

Doch auch im DGB scheint man sich nicht mehr sicher zu sein, ob der gesetzliche Eingriff ins Streikrecht eine gute Idee ist. Aus dem Leitantrag A001 »Für eine neue Ordnung der Arbeit« des DGB-Vorstands zum Bundeskongress, der nächsten Sonntag in Berlin beginnt, zitierte die »Welt« Anfang des Monats: »Der DGB und seine Gewerkschaften lehnen aber eine gesetzliche Regulierung des Streikrechts grundsätzlich ab. Zur Stärkung der Tarifautonomie gehört es auch, Arbeitskampfmaßnahmen als grundgesetzlich garantiertes Freiheitsrecht aus Artikel 9 Absatz 3 GG nicht einzuschränken.« Dem Vernehmen nach will darum auch die Arbeitsgruppe, die einen Gesetzentwurf erarbeiten soll, die Ergebnisse des DGB-Kongresses abwarten.

MB und dbb und die Lokführergewerkschaft GDL wollen am 1. Mai mit einer Performance vorm Bundeskanzleramt ihren Protest auch auf die Straße tragen. Das Motto: »So nicht, Frau Merkel und Herr Gabriel!«

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