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Rostock: Demokratiefest in Groß-Klein verboten

Bündnis: Politischer Offenbarungseid der Behörden / Demonstration der IG Metall Jugend unter Auflagen erlaubt / Antifa: Wir halten an unseren Treffpunkten fest / Tausende zu Demonstrationen gegen Neonazis erwartet

  • Lesedauer: 4 Min.

Update: Das beim Stadtteil- und Begegnungszentrum Groß-Klein geplante Demokratiefest mit Konzerten, Infoständen, Malaktionen, Demokratie-Café und anderen Aktionen wurde komplett untersagt. In seiner Begründung habe das Oberverwaltungsgericht Greifswald dem Bündnis »1. Mai ‐ Rostock nazifrei« massive Störungsabsichten der NPD-Kundgebung unterstellt, heißt es bei den Organisatoren. »Dieses Urteil ist ein politischer Offenbarungseid der Verwaltung der Hansestadt Rostock, der Polizeibehörden und der Gerichte. Alle, die sich gesellschaftspolitisch engagieren, stehen ab sofort unter Generalverdacht«, kritisierte das Bündnis. Man habe sich entschlossen, das Demokratiefest »abzusagen und auch keine politischen Alibi-Veranstaltung durchzuführen. Die Verantwortung für diese Entscheidung trägt die Stadt Rostock. Es ist uns zu keinem Zeitpunkt ein Angebot für Alternativen für das von 150 Organisationen getragene Demokratiefest im Stadtteil durch die Stadt unterbreitet worden«, so das Bündnis.

Update: Nach Angaben des Bündnis »1. Mai ‐ Rostock nazifrei« ist nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald eine Demonstrationen der IG Metall Jugend gegen die NPD vom Klenowtor (S-Bahnhof Lichtenhagen) nach Lütten-Klein genehmigt - diese muss aber bis 12 Uhr den Stadtteil wieder verlassen haben. Am S-Bahnhof Lichtenhagen wird es um 10 Uhr eine Kundgebung geben, ebenso am S-Bahnhof Lütten-Klein zur gleichen zeit. Um 9 Uhr soll eine Fahrrad-Demo am Doberaner Platz beginnen. »Wir werden in Lichtenhagen auf alle Anreisenden warten und keine Spaltung zulassen«, heißt es beim Bündnis. »Wir sind friedlich, viele, bunt und laut.«

Verbotszone für Protest gegen NPD bestätigt

Berlin. In Rostock werden am Donnerstag mehrere Tausend Menschen zu Demonstrationen gegen einen geplanten Aufmarsch der NPD erwartet. Die Neonazis wollen sich um die Mittagszeit im Stadtteil Groß Klein versammeln und dann durch die Häuserschluchten ziehen. Insgesamt sind 25 Gegendemonstrationen angemeldet worden, einige davon in Groß Klein selbst. Allerdings erließ die Stadt eine Verbotszone von etwa 300 Metern Abstand zum geplanten NPD-Aufmarsch. Das Verwaltungsgericht Schwerin lehnte am Mittwochabend drei Eilanträge dagegen ab. Die Auflagen der Stadt zur räumlichen Trennung der Gegendemonstranten von den Neonazis seien nach Auffassung der Kammer rechtmäßig, teilte eine Gerichtssprecherin mit. Es konnte aber noch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Greifswald eingelegt werden. Die Polizei will eigenen Angaben zufolge die Demonstrationsfreiheit für alle Versammlungsteilnehmer und einen gewaltfreien Verlauf der Veranstaltungen garantieren. Sie rief alle Beteiligten zur Gewaltfreiheit auf, Details zum Einsatz wurden nicht bekannt.

Das Bündnis »Nazis stoppen« kritisierte, Polizei und Stadt würden den Rechtsradikalen »den roten Teppich« ausrollen. »Wir halten an unseren Treffpunkten fest«, hieß es. »Lasst uns am Donnerstag den Nazis, aber auch der Stadt Rostock, zeigen, was wir von ihnen halten!« Das Bündnis »1. Mai ‐ Rostock nazifrei« hatte sich zuvor »fassungslos« darüber gezeigt, »wie die Stadt versucht, friedlichen Protest zu unterbinden«. Andere Städte hätten gezeigt, dass ein breiter Protest gegen die NPD sehr gut auch gemeinsam mit den Behörden funktionieren könne. »Wir werden unsere Demonstration und das Demokratiefest auf jeden Fall stattfinden lassen und dies auch gerichtlich durchsetzen«, hatten Claudia Barlen und Torsten Sohn vom Bündnis erklärt. Das Bündnis setzt sich aus Vertretern von Gewerkschaften und Parteien, demokratischen und antirassistischen Initiativen und Migrantenorganisationen zusammen.

Auch das Migrantennetzwerk im Nordosten reagierte empört. Imam-Jonas Dogesch sprach in einem Offenen Brief an Rostocks Oberbürgermeister Roland Methling von einem verheerenden Signal, der vom Verbot der antifaschistischen und demokratischen Gegenaktionen in Hör- und Sichtweite der Naziroute ausgehe. Dogesch verwies auf die jüngere Geschichte der Hansestadt, wo es im Stadtteil Lichtenhagen 1992 zu tagelangen Pogromen gegen ein von Asylbewerbern und Nichtdeutschen bewohntes Haus kam. Auch tötete die neonazistische Mörderbande NSU in Rostock einen Menschen. Mehmet Turgut wurde am 25. Februar 2004 an einem Imbiss im Stadtteil Toitenwinkel mit drei Kopfschüssen ermordet.

Der NPD-Aufmarsch unter dem Motto »Arbeit - Heimat -Zukunft« sollte ursprünglich durch die südöstlichen Stadtteile Dierkow und Toitenwinkel gehen. Groß Klein sei jedoch für die An- und Abreise der Demonstranten wegen der S-Bahnanbindung besser gelegen, hatten die Behörden argumentiert. Zudem liegt in Toitenwinkel das Mahnmal für den 2004 mutmaßlich vom Terrortrio NSU ermordeten Türken Mehmet Turgut, was zu einer höheren Gefährdungslage hätte führen können. Agenturen/nd

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