Die schutzwürdige Gattung »Mann«

Richter am Amtsgericht Mitte klagte gegen die Wahl der Frauenvertretung

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Weil ein Amtsrichter nicht für das Amt der Frauenvertreterin kandidieren durfte, klagt er gegen Diskriminierung und gegen eine vermeintliche Rechtswidrigkeit dieses Ausschlusses.
Peter Kirschey berichtet aus  Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Warum darf es nicht auch ein Mann sein? Die Frage darf gestellt werden. Warum kann nicht auch ein Mann als Frauenvertreter im öffentlichen Dienst gewählt werden? Die Antwort für das Land Berlin könnte einfach sein. Weil es das Gesetz so vorschreibt. Im Berliner Landesgleichstellungsgesetz heißt es dazu im Paragrafen 18: »Zur Wahl stellen kann sich jede weibliche Dienstkraft, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens sechs Monaten in der Dienststelle tätig ist.« Eine klare Angelegenheit: Ein Mann hat bei der Wahl der Frauenvertreterin weder das aktive noch das passive Wahlrecht. In der Berliner Justiz gibt es zur Zeit keinen einzigen männlichen Frauenvertreter. Mit dieser Rechtslage will sich ein Richter beim Amtsgericht Mitte nicht abfinden. Und er bekam für seine Haltung Unterstützung bei mehreren Frauen des Amtes. Als die Wahlen zur Frauenvertretung Ende letzten Jahres anstanden, setzen ihn fünf Mitarbeiterinnen des Gerichts auf die Kandidatenliste. Am 12. November wurde ihm jedoch mitgeteilt, dass er für diese Funktion nicht wählbar sei. Er wurde wieder von der Kandidatenliste gestrichen.

Mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht versuchte der Mann die Wahl zu stoppen, scheiterte aber damit. Das Gericht wies den Antrag ab. Gestern nun wurde der Fall vor der 5. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts verhandelt. Das Gericht konstatierte gleich zu Beginn der Beratung: Ja, es ist eine Diskriminierung des Mannes, verstoße aber nicht gegen höherrangiges Recht. Somit sei der Ausschluss des Richters aus dem aktiven und passiven Wahlverfahren ein gerechtfertigtes Mittel. Die Argumente des klagenden Richters waren jedoch nicht von der Hand zu weisen: Für ihn ist die Entscheidung eine unzulässige Diskriminierung des männlichen Geschlechts.

Außerdem akzeptiere die heutige Gesellschaft, dass es nicht nur Frauen oder Männer gibt, bei einigen Geburtsscheinen würden keine Angaben zum Geschlecht mehr gemacht. Die Aufgabe, die Frauenrechte im öffentlichen Dienst zu stärken, könne genauso gut ein Mann realisieren. Schließlich sehe die Realität beim Amtsgericht Mitte so aus, dass der Frauenanteil beim höheren Dienst 59 Prozent betrage, die Forderung nach einer Frauenquote von 50 Prozent mehr als erfüllt sei. Schließlich würden bei der Berliner Justiz tatsächlich in der überwiegenden Mehrzahl Frauen als Gerichtspräsidenten amtieren. In dieser Funktion sei der Mann fast schon eine schutzwürdige Gattung.

Insofern stelle sich die Frage, ob der Ausschluss von Männern bei der Wahl zur Frauenvertretung noch ein sachgerechtes Mittel sei. Als weiteres Argument nannte er die Wahl eines Behindertenvertreters. Auch hier sehe der Gesetzgeber nicht zwingend vor, das ein gewählter Vertreter auch ein Behinderter sein müsse.

Das Gericht stimmte der Meinung des Richters zu, wonach der Frauenanteil im mittleren und höheren Dienst die gewünschten Quoten haben. Ein Defizit ergebe sich aber immer noch bei der Bezahlung. Hier ist festzustellen, dass Frauen in den hohen Besoldungsgruppen noch nicht das Niveau ihrer männlichen Kollegen erreicht hätten.

Dennoch habe der Gesetzgeber eindeutig entschieden und das Landesgleichstellungsgesetz in der vorliegenden Fassung beschlossen. Und darin ist ein Mann für die Aufgabe einer Frauenvertreterin nicht vorgesehen. Das Gericht dürfte also dem Antrag des Richters, festzustellen, dass es rechtswidrig war, ihm das aktive und passive Wahlrecht bei der Wahl zur Frauenvertretung vorzuenthalten, nicht zustimmen.

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