Der Pokalheld aus Schuppen 2

Fast alle Fußballtrophäen kommen aus der Bremer Silbermanufaktur

  • Stephan Brünjes
  • Lesedauer: 5 Min.

Hier bekommt jeder Fußballfan Stielaugen: 21 Meisterschalen, 14 DFB-Pokale, 4 Champions League- und zwei Weltpokale stehen in einem schmuck- und fensterlosen Abstellraum. Einfach so, gestapelt auf einem leicht zerbeulten Rollwagen, den man eher in einer Kantine vermuten würde. Doch statt benutzten Tellern und Tassen parken hier die wichtigsten Trophäen von Bayern München - im Original. Und zwar, damit sie kopiert werden - ausgerechnet in Bremen, Heimat des SV Werder, dem langjährigen Erzrivalen des Rekordmeisters. »Entsprechend nervös war ich, als die FC Bayern-Delegation am Flughafen ankam«, erzählt Florian Blume, Chef der Silbermanufaktur Koch & Bergfeld. Denn klar war keineswegs, dass er den lukrativen Auftrag bekommt, die 41 Pokal-Duplikate fürs Bayern-München-Museum zu schmieden.

Doch die von Blume gereichten, liebevoll zubereiteten bremischen Fischhäppchen, vor allem aber der gute Ruf seiner Silbermanufaktur (einer von fünf in Deutschland noch existierenden) und schießlich wohl auch die außergewöhnliche Werkstatt in der Bremer Überseestadt gaben den Ausschlag. Durch Fußballtor-große Panoramafenster können Spaziergänger die zwölf Silberschmiede beim Löten, Feilen, Schleifen und Polieren beobachten. Wer mittendrin statt nur dabei sein will, bucht eine Führung und schaut ihnen im ehemaligen Hafenschuppen Nr. 2 über die Schulter und bestaunt die jahrzehntealten Werkbänke aus der Nähe. Mit all ihren Löchern und Macken, seltsamen Spezialwerkzeugen und sorgsam sortierten Pokalteilen zeugen sie von ganz spezieller, traditionsreicher, aber fast ausgestorbener Arbeit - vor allem, wenn's um Fußball-Trophäen geht.

Der silberne Champions League-Pokal mit den riesigen »Henkel-Ohren« etwa wurde bei Koch & Bergfeld »erfunden« - in den Sechzigern schuf Silberschmied Horst Heeren ihn - damals noch als Europokal der Landesmeister. Von der deutschen Meisterschale und dem DFB-Pokal fertigen Florian Blumes Experten in jedem Frühjahr eine Kopie für den jeweiligen Titelträger. »Kurz vorm Transport ins Stadion nehme ich die immer mit nach Hause«, raunt Florian Blume, »nur so fühle ich mich ganz sicher, dass sie nicht aus der Werkstatt geklaut wird.«

Eher beiläufig erzählt der stille, zurückhaltende 38-Jährige solche Geschichten. Nein, ein Marktschreier ist er nicht, auch nicht wenn es um die vielen von ihm initiierten Events in seiner lichtdurchfluteten 900 Quadratmeter großen Werkstatt geht: Jährlich im Mai und im November holt Blume die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen für Konzerte hierher, die 200 Karten sind begehrt und meist ruckzuck vergeben. Blume veranstaltet zudem Lesungen, Silberausstellungen und im Sommer kulinarische Werkstattabende zusammen mit Jan-Philip Iwersen, dem Koch des bremischen Feinschmecker-Restaurants »Küche 13«.

Das alles immer inmitten einer Industriewüste - der Überseestadt. Klingt nach Hafen-City, so wie in Hamburg, ist sogar dreimal so groß wie in der Nachbar-Hansestadt und ein ehrgeiziges Wiederbelebungsprojekt für Bremens ausgestorbene Schuppen und Anlegebecken. Noch allerdings mit viel Brachland, auf dem Hotels und Wohnungen entstehen sollen. Trotzdem: Ein Besuch in diesem langsam wachsenden Stadtteil lohnt bereits, etwa weil der feuerrote, sanierte und 400 Meter lange Backsteinspeicher Nr. 11 ein sehenswertes Hafenmuseum beherbergt. Und weil im alten Europahafen schon mal russische Prachtjachten ankern und am Kai bereits Cafés und pfiffige kleine Läden eröffnet haben - gleich gegenüber der Silbermanufaktur Koch & Bergfeld.

»Ich war der Erste, der mit seinem Unternehmen in die Überseestadt zog« sagt Florian Blume und klingt nun doch ein wenig stolz: »Alle haben mich damals ausgelacht, das war eine harte Zeit voller Zweifel, denn zuerst kam kein Kunde hierher und ich dachte schon, wir müssen schließen.«

Nicht die erste, harte Bewährungsprobe für den gelernten Gold- und Silberschmied: Im Jahre 2005, zwei Jahre vor dem Umzug in die Überseestadt übernahm er die Firma ohne jegliche, kaufmännische Erfahrung - einfach, damit sie nicht schließen muss. Genau in dieser Situation jedoch brach ihm einer seiner wichtigsten Aufträge weg - die seit 1966 von Koch & Bergfeld ausgeführte Fertigung der Goldenen Kameras für den gleichnamigen TV-Preis. Der Springer-Verlag als Veranstalter hatte entschieden, die Preise billiger produzieren zu lassen - in Asien. Bei der anschließenden Verleihung 2005 fiel dann eine dieser Kameras auf den Boden und zerbrach. »Mit dem Totalschaden kamen die Springerleute dann zu mir und baten um Reparatur«, erzählt Florian Blume: »Ging aber nicht, da die Asiaten billiges Zinn verwendet hatten, mit Gold überzogen.« Glück für Blume: Seitdem setzen die TV-Preis-Macher wieder auf Qualität und lassen die 25 Zentimeter hohen Kameras wie zuvor aus 925er Sterling-Silber mit Gold-Überzug bei ihm fertigen - aus 20 Einzelteilen und mit dem eingravierten Bremer Schlüssel im Sockel.

Aber jetzt sind erst mal wieder die Fußball-Pokale dran. Wenn's gut läuft für die Bayern, dann gehen Meisterschale und DFB-Pokal nach München. Von der Meisterschale darf Florian Blume auf jeden Fall schon eine weitere Kopie für das Bayern-Museum fertigen. Am letzten Spieltag, dem 10. Mai wird sie in der Münchner Arena übergeben. Die Nacht zuvor verbrachte sie bei Florian Blume zuhause. Sicher ist sicher.

Infos:

Bremer Touristik Zentrale: Tel.: (01805) 101030,
www.bremen-tourismus.de.

Silbermanufaktur: Die Manufaktur in der Bremer Hoerneckestraße 33 - 37 kann montags bis samstags im Rahmen von gut einstündigen Führungen besichtigt werden. Pro Person 6 Euro, Anmeldungen bei Kathrin Klug unter Tel.: (0421) 343456

Auch die Bremer Überseestadt lässt sich am besten im Rahmen einer Führung erkunden, zum Beispiel zwei Stunden mit dem Segway für 59 Euro pro Person, Treffpunkt Atlantic Grand Hotel, Martinistraße, Infos und Anmeldung unter www.bremen-tourismus.de, Stichwort Segway eingeben.

Preiswerter (für 7 Euro) und zu Fuß wird die zweistündige Überseestadttour von »Stattreisen Bremen« angeboten. Treffpunkt ist die Bushaltestelle Europahafen. Tel.: (0421) 4305656, www.stattreisen-bremen.de.

Sofern das Team der Küche 13 nicht in der Silbermanufaktur gastiert, kann man es in seinem Stammhaus erleben: Am Steinernen Kreuz 13, Tel.: (0421) 20824721

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