Anklopfen am Mainstream

In den USA ist das Spiel gegen die deutsche Nationalmannschaft wegweisend

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch bei den US-Amerikanern ist die WM angekommen. Doch um bald zu den großen Sportarten zu gehören, muss das Achtelfinale her.

Der 42-Jährige Computeringenieur Scott Moore freut sich. Denn sein Chef drückt am Donnerstagmittag für ein paar Stunden die Augen zu - damit Moore aus dem Büro verschwinden und sich das Spiel um die Ecke bei »Foley’s« anschauen kann. Der irische Pub ist einer von gut einem Dutzend, die rund um das Empire State Building in New York die WM-Spiele zeigen. Hunderte Fans werden während der Mittagspause »USA, USA« skandieren und hoffen, dass ihr Team wenigstens ein Unentschieden gegen die Deutschen und damit die K.o.-Runde erreicht.

Das zweite Spiel der USA gegen Portugal war am arbeitsfreien Sonntag ausgetragen worden. Entsprechend voll waren die Bars und öffentlichen Public-Viewing-Plätze. Scott Moore verbrachte den aufregenden Spätnachmittag zu Hause in Clifton, einem beschaulichen Vorstädtchen. 200 »Soccer«-Fans hatten sich dort in einem Latino-Restaurant vor riesigen Bildschirmen versammelt - was keine Ausnahme war.

Das Portugal-Spiel setzte neue Maßstäbe. Noch nie hatten sich so viele US-Amerikaner im Fernsehen ein Fußballspiel angesehen: 18,2 Millionen. Hinzu kamen 6,5 Millionen bei einem spanischsprachigen Sender und mehrere Zehntausend Fans, die sich etwa in Chicago oder Kansas City zum großen Public Viewing versammelt hatten. Kollektives Haareraufen und lautstarkes Gestöhne ergriff die junge »soccer nation«, als Portugal Sekunden vor Abpfiff zum Unentschieden ausglich. Ein Sieg hätte schon das automatische Weiterkommen bedeutet.

Jetzt stehen die US-Fußballer dem mächtigen DFB-Team gegenüber. »Es geht um viel mehr als ums Weiterkommen in der WM«, meint Moore, der den amerikanischen und den deutschen Fußball seit exakt 20 Jahren mitverfolgt. Damals waren die besten Fußballer der Welt in den USA zu Gast. Das Heimteam schied schon in der ersten Runde aus. Und der amtierende Weltmeister Deutschland wurde im Viertelfinale von den Bulgaren mit 1:2 nach Hause geschickt. Moore hatte damals Eintrittskarten für das benachbarte Giants-Stadium ergattert, in dem Bulgarien triumphierte. Worum es dieses Mal geht? »Um die Zukunft des amerikanischen Fußballs«, meint Moore. Ein Unentschieden oder gar ein Sieg gegen Deutschland würde »US soccer« vielleicht in den gesellschaftlichen Sport-Mainstream katapultieren - neben den Platzhirschen Football, Baseball, Eishockey und Basketball.

Die USA »sind ganz eindeutig schwächer«, schränkt Moore ein. Ganz besonders werde das Spiel an diesem Donnerstag auch deshalb, »weil die USA gegen sich selbst spielen«, meint Moore, »oder vielleicht spielt Deutschland gegen sich selbst«. Er nennt nicht nur die ehemaligen deutschen Kollegen Löw und Klinsmann, die einander gegenüberstehen, sondern auch etliche Spieler mit deutsch-amerikanischem Hintergrund: Jermaine Jones, Fabian Johnson, Tim Chandler, John Brooks und Julian Green.

Moore wird jedenfalls mit einem aus Deutschland stammenden Arbeitskollegen zu »Foley’s« hinübergehen. »Ich freue mich schon darauf, mit ihm zusammen ein deutsches Bier zu trinken«. Und wenn die USA weiterkommen, »noch eins mehr«.

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