Opposition scheitert: Keine Absetzung der Ökostrom-Debatte

Union und SPD stimmen im Bundestag gegen Antrag von Linken und Grünen – die kritisieren Korrekturen auf den letzten Drücker / Gabriel verteidigt Vorgehen – EU-Kommission widerspricht SPD-Vorsitzendem

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Berlin. Die Opposition ist im Bundestag mit dem Antrag gescheitert, die abschließende Debatte über die Ökostromreform von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) abzusetzen. Gabriel habe monatelang mit der EU-Kommission verhandelt, kritisierte Linke-Fraktionsgeschäftsführerin Petra Sitte am Freitag im Plenum. Nach den Korrekturen auf den letzten Drücker habe die Opposition nicht genug Zeit gehabt, darüber zu beraten. Ihre Grünen-Kollegen Britta Haßelmann sagte: »Eine Regierung legt 204 Seiten vor - und dann ist es unsere Aufgabe, dies kritisch zu prüfen.« Die Koalitionsfraktionen stimmten gegen eine Absetzung. Aktivisten von Campact und BUND protestierten in Berlin gegen die Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch den Bundestag.

Gabriel verteidigte seine umstrittene Ökostromreform mit Kürzungen bei der Förderung dagegen. Seit 2010 seien die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien um 200 Prozent gestiegen: »Wir haben drastische Fälle von Überförderung«, sagte Gabriel am Freitag im Bundestag vor der Abstimmung über das Gesetzespaket. Die Ziele der Energiewende blieben ambitioniert. Die Erneuerbaren würden nicht abgewürgt. Die Kritik der Opposition, sie sei von der Koalition mit Änderungen in letzter Minute überrumpelt worden, wies der SPD-Chef zurück. Grüne und Linke wollten mit »Klamauk« nur verdecken, dass sie die Reformziele der Koalition eigentlich ganz gut fänden.

Gabriel hatte zudem erklärt, wenn die EU-Kommission erst kurz vor der geplanten Verabschiedung des EEG im Bundestag mitteile, dass sie beim Thema Eigenstrom Bestandsanlagen mit 100 Prozent Umlage belegen wolle, »können Sie doch nicht den Antrag zum Abwehren dessen als Schweinsgalopp« bezeichnen. Die auf fünf Seiten aufgeführten Änderungswünsche der EU-Kommission seien zudem »keine intellektuelle Überforderung« gewesen. Die EU-Kommission hat sich indes gegen Vorwürfe aus Berlin gewehrt, ihre Einwände erst in letzter Minute vorgetragen zu haben. Die Kommission sei zur Reform des EEG in »ausführlichem Kontakt« mit den deutschen Behörden gewesen, erklärte EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia am Donnerstag in Brüssel.

Derweil warnen Umweltschützer davor, die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung zu verspielen. »Die Reform ist keine Motivation für Bürger, sich verstärkt für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu engagieren«, sagte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Hubert Weiger, dem epd. Er sei enttäuscht von dem Entwurf zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Weiger kritisiert vor allem die sogenannte Sonnensteuer. Für Strom, der für den Eigenverbrauch durch Photovoltaik oder Windkraft erzeugt wird, muss auch eine Ökostromabgabe geleistet werden. Ausgenommen sind laut Entwurf Anlagen, die unter zehn Kilowatt Strom produzieren. »Die Bagatellgrenze reicht nicht aus«, sagte Weiger. »Jahrzehntelang wurde dafür geworben, dass sich die Bürger zusammenschließen. Jetzt kommt die zusätzliche Belastung für neue Anlagen.«

Die Demotivation der Bürger sei verhängnisvoll, unterstrich der BUND-Vorsitzende. »Wenn ich weiß, das Windrad dreht sich nicht für einen Investor oder für eine anonyme Gesellschaft, sondern für uns selbst, damit wir aussteigen können aus der Atom- und Kohleenergie, dann führt das zu einer Zunahme der Akzeptanz«, sagte Weiger. »Das wird verloren gehen.« Es sei für viele Bürger nicht nachvollziehbar, warum kleine Anbieter und Privatleute beim Eigenstrom belastet würden und gleichzeitig der Braunkohle-Tagebau von der Umlage befreit werde, ergänzte Weiger. »Die EEG-Reform hat ihre zentrale Hausaufgabe nicht erfüllt. Die Kosten werden weiterhin größtenteils von den Privatverbrauchern getragen.«

Die EEG-Novelle soll am 1. August inkrafttreten. Auf Druck der EU-Kommission hin gab es kurzfristig zahlreiche Änderungen an dem Entwurf. Sie betreffen vor allem die Eigenstromregelungen. Bei den Ökostromrabatten für besonders energieintensive Unternehmen einigte sich die Bundesregierung mit der EU bereits auf einen Kompromiss. Im Kern sieht die Reform eine Kürzung der Förderung von Anlagen vor, die ab dem 1. August 2014 in Betrieb gehen. Zurzeit wird eine Kilowattstunde Ökostrom durchschnittlich mit 17 Cent vergütet. 2015 soll die Vergütung auf 12 Cent sinken. Ziel ist es bis zum Jahr 2035 den Anteil von Ökostrom an der Energieversorgung auf bis zu zu 60 Prozent zu steigern. Agenturen/nd

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