Forscher setzen auf Investitionsfonds

Europa leidet unter zu wenig Kapitaleinsatz

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
180 Milliarden Euro an Investitionen fehlen laut den Forschern des DIW in der Eurozone, damit es mit der Wirtschaft bergauf geht.

Seit nunmehr fast sieben Jahren befindet sich die Eurozone in der Krise - ein Licht am Ende des Tunnels ist kaum zu erkennen. Wie kann Europa wieder auf die Beine kommen? »Ohne Staat geht es nicht«, meint der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Die Frage sei, welche Rolle der Staat einnehmen solle. Denn seiner Meinung nach besteht der Weg aus der Krise nicht in höheren Staatsausgaben, sondern in der Stärkung der Privathaushalte. Ein europäischer Investitionsfonds soll dabei helfen.

Europa leidet aus Sicht des DIW unter Massenarbeitslosigkeit und schwachem Wachstum, weil zu wenig investiert wird. In einer am Mittwoch veröffentlichten Studie kommt das Wirtschaftsinstitut zu dem Schluss, dass die Bruttoanlageninvestitionen in der Eurozone seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007 um etwa 15 Prozent eingebrochen seien. Damit es zu einem nachhaltigen Wachstum kommen könne, brauche man zusätzliche Investitionen von rund zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. In absoluten Zahlen: Es fehlen jährlich 180 Milliarden Euro.

Diese Summe verteilt sich nicht nur auf einzelne Länder. Die Investitionszurückhaltung »hat sich mittlerweile in nahezu allen Staaten der EU festgesetzt und bedroht so das Wachstum kommender Jahre«, so die Wissenschaftler. Deutschland etwa weist eine der niedrigsten Investitionsquoten innerhalb der Industrieländer auf.

Doch ist es nicht so, dass die Unternehmen einfach nicht investieren wollten. »Die Kreditklemme ist in vielen Teilen Europas Realität«, sagt DIW-Chef Fratzscher. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen erhalten von den Banken keine Kredite, weil diese noch unter den Auswirkungen der Finanzkrise leiden.

Um die Investitionsschwäche zu überwinden, werde es nicht ausreichen, »in den südeuropäischen Ländern einzelne Investitionsprogramme zu implementieren«, schreiben die Forscher. Deshalb schlägt das DIW einen europäischen Investitionsfonds vor, der sich vor allem an kleine und mittelgroße Unternehmen richten soll. Fünf Jahre lang soll der Fonds laufen. Wie groß er sein muss, damit er in der Eurozone wirklich etwas verändert, ist aus Sicht des DIW schwer abschätzbar. Es gelte jedoch, die Nettoersparnisse der Eurozone zu mobilisieren und die betragen mittlerweile wieder mehr als 250 Milliarden Euro pro Jahr.

Ein Investitionsfonds hätte in Zeiten des Fiskalpaktes gegenüber mehr Staatsausgaben einen entscheidenden Vorteil: Er belastet die Haushalte nicht. Zwar müssten die Staaten Garantien abgeben, auch rechnet das DIW damit, dass der so mancher Kredit ausfällt. Doch erwarten die Forscher, dass am Ende eine »schwarze Null« in der Bilanz steht.

Allerdings reicht der Investitionsfonds für die DIW-Forscher nicht aus. Zusätzlich setzen sie auf kapitalfreundliche Reformen: Der Wettbewerb soll ihrer Meinung nach weiter vorangetrieben und der EU-Binnenmarkt gestärkt werden.

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