Britanniens Rechte schießt gegen Miliband

Der Oppositionsführer ist trotz aller Kritik an ihm kein zahnloser Tiger

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Der britische Premier Cameron erleidet eine Schlappe nach der anderen, doch die konservative Presse hat sich auf Oppositionsführer Miliband eingeschossen.

Premier David Cameron kehrte nach einer demütigenden Abstimmungsniederlage im Fall Junker aus Brüssel zurück. Sein früherer Pressesprecher Andy Coulson wandert wegen des Abhörskandals in Rupert Murdochs Medienimperium für 18 Monate ins Gefängnis: Die Urteilskraft des Premiers steht im Zweifel. Und die britische Presse? Schießt sich auf Oppositionsführer Ed Miliband ein.

Das wirft kein gutes Licht auf konservative Zeitungen. Aber es drückt auch geheime Ängste in der Labour Party aus: Haben wir uns geirrt, als wir Ed statt seines Bruders David auf den Schild hoben? Ed ist zwar ein tiefsinniger Denker, aber kann ein Eierkopf beim Volk ankommen? Radikale Ideen für eine Umgestaltung der Austeritätspolitik sind Mangelware, werden von der Parteizentrale sabotiert, sagt der Linke John Cruddas, der Milibands Wahlprogramm formulieren soll. Ein Labourchef, der sich mit einer WM-Sonderausgabe des Boulevardblatts »The Sun« ablichten lässt, beleidigt die Anhänger, tönen Kritiker. Der arme Ed kann nicht einmal ein Speckbrötchen essen, ohne sich zu blamieren, wird geflüstert.

Gemach. Erstens wussten Parteimitglieder, warum sie den Blair-Freund David Miliband nicht zum Nachfolger Gordon Browns wählten. David hat den Bruder nicht etwa im Schattenkabinett unterstützt, sondern düste als Präsident einer karitativen Einrichtung in die USA, steht also als Alternativkandidat nicht zur Verfügung. Auch andere Labour-Größen wie Finanzsprecher Ed Balls oder dessen Frau Yvette Cooper, für innenpolitische Fragen zuständig, würden sofort Zielscheibe der Rechtspresse, wenn Ed Miliband abträte. Bis zur Wahl im Mai 2015 ist er seines Amtes sicher.

Miliband hat schon oft Rückgrat gezeigt. Als Sprachrohr der von Murdochs Mannen abgehörten kleinen Leute wie der Familie des ermordeten Mädchens Milly Dowler; als Organisator einer parlamentarischen Antikriegskoalition, die David Camerons Bombenpläne gegen Syrien verhinderte, sowie als Ankläger gegen den »räuberischen Kapitalismus«. Dass er letzte Woche Geschäftsleuten mit Parolen nachlief wie »langfristiges Denken« sowie »sicherer Verbleib in der EU« zeigt zwar Unsicherheit vor dem Kampf, aber keiner seiner Vorgänger hätte sich mit Kritik an der Ungleichheit und Ungerechtigkeit der Gesellschaft so weit vorgewagt. Ed Miliband ist alles andere als ein zahnloser Tiger.

Er hat durchaus Siegchancen. Die Partei führt in den Umfragen immer noch, wenn auch knapp. Es wird verdrängt, dass Margaret Thatcher 1979 in der Publikumsgunst gegen Labour-Premier Jim Callaghan noch weiter zurücklag, was ihren Wahlsieg nicht verhinderte. Camerons Versuch, eine für die Konservativen günstigere Wahlkreis-Neuverteilung durchzuboxen, schlug im Unterhaus fehl, was den Premier teuer zu stehen kommen könnte: Eine prozentual knappe Labour-Führung könnte zum klaren Sieg reichen. Trotz endlich eingetretenen Wirtschaftsaufschwungs bleibt der Wohlfühlfaktor im Lande aus. Die Rechte richtet ihre Pfeile gegen Miliband, weil sie ihn fürchtet.

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