Eine Schlafstelle für 200 Euro

Polizei schließt Wanderarbeiterhotel in der Allee der Kosmonauten

  • Jörn Boewe
und Johannes Schulten
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Hotel für Wanderarbeiter wird wegen Mängeln beim Brandschutz geschlossen. Die 120 Bewohner stehen plötzlich ohne Unterkunft und Lohn da.

Ein Polizeieinsatz am Wochenende hat ein Schlaglicht auf das in Berlin grassierende Geschäft mit Unterkünften für migrantische Arbeitskräfte geworfen. In Marzahn-Hellersdorf schloss die Polizei ein Hotel wegen wiederholter Verstöße gegen Brandschutzauflagen. Darin waren rund 120 Wanderarbeiter aus Osteuropa untergebracht. Sie werfen dem Betreiber des »AapHotel«, Müslüm A., vor, im Voraus bezahlte Mieten einbehalten und ausstehende Löhne nicht ausbezahlt zu haben. Ein Teil der dort untergebrachten Migranten hatte im Hotel selbst gearbeitet, der größere Teil dem Vernehmen nach auf verschiedenen Baustellen. Die Betroffenen wollen gemeinsam mit Vertretern der DGB-Beratungsstelle für entsandte Beschäftigte Anzeigen bei der Polizei erstatten.

Lediglich das Leuchtschild über dem Eingang deutet darauf hin, dass es sich bei dem riesigen, völlig heruntergekommenen Plattenbau in der Allee der Kosmonauten 32 um ein Hotel handeln soll. 200 Euro pro Monat kostet hier ein Bett - in einem Zimmer für acht Personen. Die Nachfrage war offenbar sehr groß, wenn auch weniger von Touristen. Vor allem kamen Wanderarbeiter aus Rumänien, Bulgarien, Moldawien, Mazedonien und Tschechien, die hier dauerhaft wohnten. Viele von ihnen seit mehr als einem Jahr.

»Für Arbeitsmigranten ist es sehr schwer, Zugang zum regulären Wohnungsmarkt zu finden«, sagte Doritt Komitowski von der DGB-Beratungsstelle gegenüber »nd«. Um eine Wohnung zu bekommen, brauchen sie einen Arbeitsvertrag und ein regelmäßiges Einkommen. Doch einen Arbeitsvertrag bekommt man nur mit einer regulären Adresse. »Für die Betroffenen ist das ein Teufelskreis«, so Komitowski. »Sollten sich die Angaben der Betroffenen bestätigen, handelt es sich um Arbeitsausbeutung, Lohnbetrug und Mietwucher im großen Stil, unter Ausnutzung der hilflosen Lage der Betroffenen.«

Die zuständigen Behörden hat das bislang nicht interessiert. Obwohl Bewohner bei der Räumung Anzeigen erstatten wollten, hätten die Beamten diese nicht aufgenommen, sagt die Gewerkschafterin, die beim Einsatz zugegen war. Stattdessen sei ihnen nahegelegt worden, sich an das zuständige Revier zu wenden. Auch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, eine Untergliederung der Zollverwaltung, die die Einhaltung des Entsendegesetzes kontrollieren soll, habe sich bisher nicht gerührt, sagte Komitowski. Die zuständige Zolldirektion Berlin war für Nachfragen nicht erreichbar.

Die Polizei bestätigte auf Anfrage, dass das Hotel auf Grundlage eines Amtsbeihilfeersuchens des Bezirksamts bereits zum zweiten Mal in diesem Monat geschlossen wurde. Offenbar war der Betrieb nach der ersten Schließung widerrechtlich fortgeführt worden. Anzeigen von den Gästen nahmen die Beamten während des Einsatzes nicht entgegen, hieß es. Im Zusammenhang mit der widerrechtlichen Öffnung des Hotels sei lediglich ein »Strafverfahren wegen Siegelbruchs« gegen den Betreiber eingeleitet worden.

Unklar blieb, was mit den Wanderarbeitern nach der Räumung passierte. Polizei und Bezirksamt hätten sich nicht um eine alternative Unterbringung gekümmert, sagte ein Sprecher der Bewohner dem »nd«. Die Polizei gab dagegen auf Nachfrage an, mehrere Unterbringungsangebote gemacht zu haben. Diese seien aber nur von einer Minderheit der anwesenden Wanderarbeiter angenommen worden. Auch der Betreiber und das Bezirksamt hätten Ersatzunterkünfte angeboten.

Die Geschäftsführung des AapHotels trug bisher wenig zur Aufklärung bei. Nachfragen während des Einsatzes wurden mit der aggressiv formulierten Aufforderung beantwortet, sich unverzüglich vom Privatgrundstück zurückzuziehen. Öffentlich war der Fall geworden, weil sich eine Gruppe rumänischer Bewohner wegen der drohenden Obdachlosigkeit und des ausstehenden Geldes an das Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte des DGB gewandt hatte.

Offenbar handelt es sich um keinen Einzelfall. »Seit einem Jahr häufen sich die Fälle, in denen Wanderarbeiter zu uns kommen, und sich über Mietwucher beschweren«, berichtet Komitowski. Immer mehr Betreiber von Hotels und Ferienwohnungen würden sich darauf spezialisieren, Zimmer langfristig an Arbeitsmigranten zu vermieten, anstatt an Touristen. Im jetzt geschlossenen AapHotel sollen Zimmer mit bis zu 13 Personen belegt gewesen sein - bei 200 Euro pro Person ein lohnendes Geschäft. Oft seien die Betreiber der Unterkünfte zugleich als Arbeitsvermittler aktiv.

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