Kämpfer zu Friseuren

In Sri Lanka begeben sich rehabilitierte Rebellen auf Suche nach Erwerbsquellen

  • Amantha Perera, Kilinochchi
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Niederlage im Bürgerkrieg 2009 ergaben sich 12 000 Kämpfer der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE). Ihre Reintegration kommt voran, ist aber mühselig.

Für eine Rasur oder einen Haarschnitt sind Alyosius Patrickeils Kunden gern bereit, lange Wartezeiten in Kauf zu nehmen. Hier, im Laden des 32-Jährigen in der nordsrilankischen Stadt Kilinochchi, sitzen ältere Männer mit eindrucksvollen Schnauzern neben jüngeren, die sich eine modische Frisur wünschen, dazwischen Kinder in Begleitung ihrer Mütter, die ebenfalls einen Haarschnitt bekommen sollen. »Alyosius ist einfach der Beste in der Stadt«, versichert Kalliman Mariyadas, ein weiterer Kunde.

Vor einigen Jahren war Patrickeil noch nicht so bekannt wie heute und wollte das auch gar nicht sein. Bis 2009 war er Mitglied der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE), der bewaffneten Separatistengruppe, die 26 Jahre lang einen blutigen Krieg gegen die srilankische Regierung führte.

Patrickeil, inzwischen Vater eines Kleinkindes, gehörte bis zur Niederlage der LTTE 2009 den »Meertigern« an, der Marineeinheit der Kämpfer um einen tamilischen Staat. Über seine Vergangenheit redet er nur ungern. »Was geschehen ist, ist geschehen«, sagt er, während er einem Kunden den Kopf massiert. »Ich will darüber nicht mehr reden.«

Sein wichtigstes Ziel ist es, sein Geschäft in Gang zu halten und Geld zu verdienen. »Friseure werden immer gebraucht. Ich habe eine gute Berufswahl getroffen«, meint er. Das angesehene Mitglied der Gemeinde spricht leidenschaftlich gern über seine Zukunft. Wenn vom Bürgerkrieg die Rede ist, der auf allen Seiten rund 100 000 Menschen das Leben kostete, wird er still.

Nach dem vernichtenden Schlag der Regierungstruppen über die Tamilenrebellen im Mai 2009 im Norden und Osten des Landes, ergaben sich an die 12 000 LTTE-Kader den Siegern oder aber wurden festgenommen. Bis Juni hatten mehr als 11 800 ein Rehabilitationszentrum durchlaufen. 132 sind noch in Haft.

Patrickeil war im Februar 2013 aus einem solchen Rehabilitationszentrum entlassen worden, wo er seine Friseurlehre machen konnte. Seither muss er wie viele seiner ehemaligen Mitkämpfer als Zivilist klarkommen. »Sie wollen wie alle anderen Srilanker ein normales Leben führen«, meint Murugesu Kayodaran, Rehabilitationsbeamter der Kilinochchi-Bezirksabteilung.

Doch nach so vielen Jahren Krieg und Gewalt ist die Umsetzung dieses Wunsches schwieriger als man meinen könnte. Die meisten der freigelassen Ex-Tiger gehen im Norden des Landes einem Handwerk nach, wie aus dem Büro des Generalbeauftragten für Rehabilitation zu erfahren ist. Aber auch die Fischerei, Landwirtschaft oder die Sicherheitskräfte sind als Brotgeber gefragt. Patrickeil verdient als Friseur um die 3000 Rupien (21 Dollar) am Tag. Die Lebenshaltungskosten in der Region liegen bei 190 bis 230 Dollar im Monat.

Problem ist nur, dass die offiziellen Programme, die den ehemaligen Kämpfern Starthilfe ins neue Leben leisten, dünn gesät sind. Es existiert ein staatliches Kreditprogramm, das den Betroffenen bis zu 25 000 Rupien (192 US-Dollar) in Aussicht stellt. Doch bisher haben gerade einmal 1773 der Antragssteller den Betrag erhalten. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) vergibt Kleinkredite in Höhe von umgerechnet 380 Dollar, doch wurden seit letztem Jahr gerade erst einmal 523 Personen begünstigt.

Der Mangel an solchen Starthilfen bedeutet, dass es tausende Menschen ohne festes Einkommen gibt. Kayodaran zufolge ist jedoch eine langjährige Hilfe wichtig, um die Reintegration der ehemaligen Kämpfer zu bewerkstelligen. Abgesehen von der finanziellen Unsicherheit leiden viele Kämpfer an Stigmatisierung und psychischen Problemen wie Depressionen, Traumata und dem Mangel an familiärem Beistand.

»Zuerst war Krieg, dann Frieden und jetzt Armut«, meint Patrickeils Kunde Mariyadas, der auf einen freigewordenen Stuhl zusteuert. »Hoffen wir, dass als nächstes der Wohlstand kommt.« IPS/nd

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