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Extrabelastung befreit Tony Martin vom ganz großen Druck

Weil der Cottbuser schon einen Etappensieg bei der Tour de France hat, geht er am Sonnabend entspannt ins Zeitfahren

  • Tom Mustroph, Bergerac
  • Lesedauer: 3 Min.
Tony Martin will seinen guten Auftritt bei der Tour krönen. Alles andere als ein Sieg beim 54 km langen Zeitfahren wäre eine Enttäuschung. In der Konzentration auf nur einen Tag liegen aber auch Tücken.

Für manchen Radprofi besteht die Tour de France allein aus einem Tag - dem Tag des Einzelzeitfahrens. Der Schweizer Fabian Cancellara ist so ein Typ. »Es war nicht ganz einfach, Fabian für diese Tour de France zu überzeugen. Sie hatte ja keinen Prolog«, erzählte Trek-Rennstallchef Luca Guercilena »nd«. Aufs Ende der Tour, an dem ein langes Zeitfahren lockt, wollte der frühere Olympiasieger und Weltmeister in dieser Disziplin nicht warten. Zu anstrengend war die Zeit dazwischen. Zu schwach und aussichtslos für die Gesamtwertung das eigene Team besetzt. Und als zu gering schätzte Cancellara auch die Aussichten ein, gegen seinen Nachfolger als Zeitfahrchampion, den Cottbusser Tony Martin, zu bestehen.

Auch für den Omega-Profi bestand die Tour de France in früheren Jahren nur aus diesem einen Zeitfahrtag. Gut, manchmal noch einem zweiten, wenn es eben einen zweiten Kampf gegen die Uhr im Programm gab. Höchste Konzentration war da vonnöten. Die Form so aufbauen, dass der Höhepunkt auf diesen einen Tag fiel. Nicht stürzen, und wenn, dann sich nicht ernsthaft verletzen. Die Kräfte vor allem in Tagen davor dosieren. Die richtige Entscheidung treffen, wie viel man noch der Mannschaft hilft - Martin ist einer, der sich gern aufopfert - und wie viel Kraft man noch speichert. Mit allen diesen Widrigkeiten ging Tony Martin in der Vergangenheit höchst souverän um. Im letzten Jahr gewann er das Tourzeitfahren, auch 2011. Im Jahr dazwischen verhinderte ein Sturz bedingter Bruch des Kahnbeins die Brücke zum Triple.

In diesem Jahr war Martin schlauer. Er nahm sich bereits allen Druck mit seinem Solosieg auf der neunten Etappe von Gerardmer nach Mülhausen. Keine Angst mehr vor Stürzen haben, das Toursieg-Soll ist ja schon erreicht. Und endlich auch der Beweis angetreten, mehr zu sein als »nur« ein großer Zeitfahrer. »Es hat perfekt gepasst. Das Zeitfahren liegt in diesem Jahr ja ziemlich weit hinten. Da kann man sich zu Anfang der Tour auch eine solche Extrabelastung leisten, ohne das ganz große Ziel aufs Spiel zu setzen«, meinte Omega-Sportdirektor Rolf Aldag zu »nd«.

Martins Sieg in Mülhausen hat viele mit der Zunge schnalzen lassen. Brian Holm, Aldags Kollege bei Omega, hält Martin nach dem Ritt durch die Vogesen für einen, der es auch einmal bei den großen Klassikern versuchen könnte. Im Klassikerteam Omega mit den Paris-Roubaix-Siegern Niki Terpstra (Niederlande ) und Tom Boonen (Belgien) ist es zwar keine ganz leichte Aufgabe, da einen Platz als Kapitän zu bekommen. Aber Martins Manager Werner ist zuversichtlich. »Bei Omega wurden Tony in keiner Hinsicht Steine in den Weg gelegt«, sagte er kurz vor der Vertragsverlängerung bis 2016, die am zweiten Ruhetag der Tour verkündet wurde. Martin selbst kann sich auch vorstellen, wieder in Richtung Gesamtklassement zu trainieren. »Wenn er drei solcher Tage wie in Mülhausen hinlegt, ist er definitiv auch ein Klassementfahrer für die Tour«, scherzte Aldag.

Damit aus Spaß Ernst ernst wird, muss Aldag allerdings bis 2016 warten. Bei Olympia in Rio will Martin die Goldmedaille im Zeitfahren holen, die ihm in London - auch bedingt durch die langwierigeren Folgen des Kahnbeinbruchs - verwehrt geblieben war. »Bis dahin werde ich von meinem jetzigen Weg nicht abweichen«, meinte er am Rande der Tour. Er betonte: »Wo ich gerade bin, das gefällt mir sehr gut. Ich kann durch einen Ausreißversuch eine Etappe gewinnen und bei kleineren Rundfahrten vorne dabei sein.«

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