Oft nicht »ausbildungsbackfertig«

Die Jugendarbeitslosigkeit in Berlin sinkt, zugleich bilden immer weniger Betriebe aus

Die Arbeitslosenzahlen in Berlin sinken seit einem Jahr. Doch gerade im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit ist noch vieles im Argen.

Auf dem Berliner Arbeitsmarkt sieht es laut den am Donnerstag veröffentlichten Zahlen der Regionaldirektion der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg weiter nach einer Entspannung aus. Zwar liegen die Arbeitslosenzahlen im Juli etwas höher als im Vormonat, aber im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Erwerbslosen weiter um 8828 gefallen. Aktuell sind in Berlin 203 929 Menschen arbeitslos gemeldet. Immerhin haben seit Mai 2013 über 34 000 Menschen zusätzlich eine Arbeit gefunden, sodass die Zahl der Erwerbstätigen im Mai 2014 auf rund 1 254 000 gestiegen ist.

Dennoch bleibt die Hauptstadt mit einer Arbeitslosenquote von 11,1 Prozent weiter Schlusslicht im Bundesvergleich, knapp hinter Bremen (11 Prozent). Den leichten Anstieg der Erwerbslosenzahlen im Juli erklärt die Regionaldirektion mit Zeitverträgen, die oft halbjährlich auslaufen und den Jugendlichen, die nach dem Ende ihrer Ausbildung nicht übernommen wurden. Sabine Bangert, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, kritisierte, dass die Berliner Arbeitsmarktpolitik zu lange auf Qualifizierungsprogramme für Langzeitarbeitslose gesetzt habe, die ebenfalls vom Bund angeboten werden. »Die Arbeitssenatorin sollte sich Gedanken machen, ob sie weiterhin nicht zielführend Doppelstrukturen finanzieren will oder lieber in einen dauerhaft angelegten sozialen Arbeitsmarkt investiert.«

Im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit, gerade im europäischen Vergleich, steht Berlin mit einer Arbeitslosenquote von 11,4 Prozent im Juli trotzdem noch verhältnismäßig gut da, auch wenn die Hauptstadt damit weiter über dem Bundesschnitt von 7,8 Prozent liegt. Allerdings entwickeln sich die Zahlen seit zwei Jahren konstant nach unten. Im Juli waren demnach knapp 2800 Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren weniger arbeitslos gemeldet als noch im Jahr davor. Die Erwerbslosenzahl sank damit auf insgesamt 17 614 Jugendliche. »Beim Abbau von Jugendarbeitslosigkeit sind wir bundesweit spitze«, sagt Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) am Donnerstag beim Besuch eines Jobcenters in Friedrichshain-Kreuzberg.

Mehr Grund zur Freude hat die Arbeitssenatorin aber nicht, denn vieles spricht gegen den anhaltenden Trend. In Berlin brechen immer noch 33 Prozent aller Auszubildenden laut der Regionaldirektion ihre Lehre vorzeitig ab - d.h. innerhalb der ersten sechs Monate nach Ausbildungsbeginn - was erheblich über dem Bundesdurchschnitt von 24 Prozent liegt. Außerdem bieten nur 13 Prozent aller Betriebe in der Stadt auch Lehrstellen an, ebenfalls deutlich weniger als im Rest der Republik und die Zahl sinkt seit Jahren. Vor allem im Gaststätten-, Hotel- und Friseurgewerbe sind die Abbrecherquoten hoch. Hingegen beenden nur 10 Prozent der Azubis aus dem Bereich Banken, Verwaltung und Industrie ihre Lehre vorzeitig. »Natürlich sind auch die Qualität der Ausbildung und die Ausbildungsbedingungen ein erheblicher Faktor«, sagt Kolat. Harte Arbeitszeiten z.B. als Koch, dazu eine schlechte Ausbildungsvergütung, private oder gesundheitliche Probleme lassen viele an ihrer Berufswahl zweifeln, erzählt Britta Zander, Bereichsleiterin im Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg. »Viele haben dann nach 20 oder 30 Bewerbungen ohne eine Rückmeldung resigniert«, sagt sie. Personaler in den Unternehmen blicken viel zu oft nur auf Schulnoten, andere persönliche Stärken und Motivation bleiben unbemerkt. »Menschen sind nun mal sehr unterschiedlich. Nicht alle kommen ausbildungsbackfertig aus der Schule«, sagt Kolat.

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