Goodbye Troika?

Fabio de Masi glaubt nicht an ein Ende der Spardiktate. Die EU wolle zwar die Troika beerdigen, nicht aber ihre Politik

  • Fabio de Masi
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) regiert die Eurozone. Sie ist das »McKinsey der Staaten« und wurde gerufen, um einen hässlichen Job zu verrichten.

Sie hat die Eurozone in die tiefste Depression der Nachkriegszeit geführt. Die Schuldenquote (Staatsschulden zur Wirtschaftskraft) in Krisenstaaten wie Griechenland ist explodiert statt zu sinken. Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, schrumpft. Und selbst das vermeintliche Wirtschaftswunder Deutschland rutscht nun in die Stagnation. In Italien und Griechenland hat die Troika sogar zeitweise ehemalige Top-Banker zu Regierungschefs gemacht, die nie vom Volk gewählt wurden.

Hat Europa inzwischen verstanden? Der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verkündete jüngst, die Troika sei undemokratisch. Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter im Europäischen Parlament, attestierte seinen Kollegen in Straßburg, sie hätten mit dem Troika-Bericht von März 2014 die »Notbremse gegen den Mangel an Transparenz und Rechenschaftspflicht« gezogen. Und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi lässt sich als »rottamatore« (Verschrotter) der alten Politik und europäischer Erneuerer feiern. Er fordert eine sanftere Auslegung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der EU-Staaten zwingt, sich in die Depression zu sparen.

Doch die Wahrheit ist immer konkret: Der Troika-Bericht kritisierte, das Mandat der Troika sei »unklar, intransparent und einer demokratischen Kontrolle entbehrend«. Zudem habe die Troika außerhalb des EU-Rechts gestanden. Ihre Wachstumsprognosen seien »allzu optimistisch« gewesen. Das ist sehr höflich formuliert.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), stellte jedoch bereits damals klar, dass der Bericht »nicht die Arbeit der Troika an sich kritisiert«, sondern ihre fehlende Rechtsgrundlage. Dazu passt auch, dass selbst Giegold kürzlich die unzureichende Umsetzung des »europäischen Semesters« zur wirtschaftspolitischen Koordinierung in den Mitgliedsstaaten rügte. Auf Deutsch: Die unzureichende Kürzung von Löhnen, Renten und öffentlichen Investitionen.

Auch Juncker geht es nicht um ein Ende der Troika-Diktate. Wie das Parlament möchte er die Troika mit neuem Etikett »legalisieren«. Er will sie beerdigen, um ihre Politik der Depression und Arbeitslosigkeit fortzusetzen. So berichtete die britische Tageszeitung »Guardian« kürzlich unter Berufung auf hochrangige Kommissionsbeamte, Juncker beabsichtige, die Aufsicht über die Reformprogramme einer Task Force der EU-Kommission zu unterstellen. Er verspreche sich davon weniger Widerstände gegen die Troika. Das würde nicht zuletzt der korrupten griechischen Regierung helfen, einen Wahlsieg der linken SYRIZA zu verhindern. Juncker will den Griechen also Gammelfleisch als Souvlaki verkaufen.

Dazu passt auch, dass Juncker beim Besuch in der linken Fraktion im EU-Parlament betonte, man könne nicht immer neue Schulden machen. Das würden die kleinen Leute bezahlen. Davon versteht Juncker etwas: Er war immerhin Regierungschef der Steueroase Luxemburg und hat viele Jahre Europas Banken bei der Beihilfe zur Steuerhinterziehung von Konzernen und Superreichen unterstützt. Es steht zudem zu befürchten, dass mit dem Rauswurf des IWF aus der Troika ausgerechnet jene Institution ihren Hut nehmen muss, welche die vermeintlichen Sparprogramme zunehmend kritisierte.

Auch die Diskussion um eine Lockerung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ist eine weitestgehende Phantomdebatte. Der Fiskalpakt, der mit den Stimmen der Sozialdemokraten und Grünen in den Verfassungen von EU-Staaten verankert worden ist, ist in Kraft. Bereits heute können die Sparzwänge gelockert werden, wenn sich ein Land auf harte »Strukturreformen« verpflichtet. Nichts anderes fordert Renzi. Er will eine bessere Konjunktur, um Arbeitsmarktreformen durchzusetzen. Das ist linke Tasche, rechte Tasche. Was der Staat weniger in die Krise spart, nimmt er an privater Nachfrage Millionen Menschen weg.

Es gab schon einmal einen solchen Verschrotter in Europa. Er hieß Gerhard Schröder, brach den dummen Stabilitäts- und Wachstumspakt und schuf die Agenda 2010. Ich fürchte daher: Juncker und Renzi werden vielleicht die Troika beerdigen. Um die Verschrottung müssen wir uns aber selber kümmern.

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