Rübenlaster im Minutentakt

In der Zuckerfabrik Anklam arbeitet man derzeit auf Hochtouren - und sorgt sich wegen 2017

  • Martina Rathke, Anklam
  • Lesedauer: 3 Min.
Gute Rübenerträge verheißen eine erfolgreiche Zuckerkampagne in der einzigen Zuckerfabrik Mecklenburg-Vorpommerns. Doch mit Ende der EU-Zuckermarktordnung 2017 wird sich vieles ändern.

Im Minutentakt rollen die Rübenlaster mit ihrer Ladung über die Waage am Eingang der Zuckerfabrik in Anklam. Eine Woche früher als ursprünglich geplant und als bundesweit erste begann in dieser Woche die einzige Zuckerfabrik in Mecklenburg-Vorpommern mit der Verarbeitung der Rüben. Rund 1,5 Millionen Tonnen - und damit 100 000 Tonnen Rüben mehr als im Rekordjahr 2013 - will das zum niederländischen Zuckerriesen Suiker Unie gehörende Unternehmen bis Mitte Januar verarbeiten.

Proberodungen verheißen nach einem Sommer mit konstanten Temperaturen und stressfreiem Wachstum eine positive Saison. Sie ergaben einen Rübenertrag, der 20 Prozent über dem fünfjährigen Mittel gelegen habe, sagt die Geschäftsführerin des Rübenanbauerverbandes Anklam und Güstrow, Antje Wulkow. Rund 380 Rübenbauern aus Mecklenburg-Vorpommern und Nordbrandenburg liefern in den kommenden Monaten ihre Ernte bei dem Anklamer Unternehmen ab.

Das Jahr verspricht einen guten Ertrag, auch wenn der Zuckergehalt der Rübe mit 16 bis 17,1 Prozent derzeit noch im Durchschnitt liegt, sagt der Chef der Zuckerfabrik, Matthias Sauer. Seit der Wende wurden am Standort Anklam in neue Produktionsanlagen oder den Bau einer Biogasanlage rund 300 Millionen Euro investiert.

Mit dem Standbein der Energiegewinnung löste sich Anklam teilweise aus den engen Fesseln der seit 2006 gültigen EU-Zuckermarktordnung. Die Hälfte der Rübenernte gehe in die Zuckerherstellung, die andere Hälfte in die Bioethanolerzeugung, sagt Sauer. Nun muss sich die Fabrik auf das Auslaufen der EU-Ordnung im Jahr 2017 einstellen. Das Unternehmen will dazu 15 Millionen Euro in den Ausbau der Verarbeitungskapazitäten investieren. Die EU-Zuckermarktordnung reglementiert die Verarbeitungsmengen in Europa und bietet einen Schutz vor der Zuckerrohr-Konkurrenz aus Übersee. 2013/14 betrug nach Angaben der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ) der Anteil des Rohrzuckers an der weltweiten Zuckererzeugung rund 81 Prozent und der des Rübenzuckers 19 Prozent. Mit dem Auslaufen der Zuckerordnung agieren Anbauer und Zuckerfabriken weitgehend am freien Weltmarkt - gegen den billigen Zucker aus Zuckerrohr.

Rohrzucker könne mit deutlich geringerem Verarbeitungsaufwand hergestellt werden, sagt der Vorsitzende des Anklamer Rübenanbauerverbandes, Thies Holtmeier. »Er drückt mit niedrigen Preisen auf den Weltmarkt.« Hinzu komme, dass Länder wie Polen und die Niederlande angekündigt hätten, mit Sonderprämien aus nationalen Etats ihre Rübenbauern zu schützten. »Deutschland hat sich dagegen verpflichtet, keine nationalen Regelungen zu erlassen.«

Gerade in einer Grenzregion zum Konkurrenten Polen könne dies zum Problem für die Rübenbauern werden, sagt Holtmeier. »Ich bin nicht sicher, ob wir mit den jetzigen Produktionsmengen überleben werden.« Einen Ausweg sieht der Verband derzeit nur in steigenden Verarbeitungsmengen und höheren Zuckererträgen.

Seit 2001 steigen die Rübenerträge der Bauern in Mecklenburg-Vorpommern kontinuierlich. Nach Angaben von Suiker Unie wurden vor 13 Jahren durchschnittlich 47 Tonnen Rüben je Hektar geerntet, für das Erntejahr 2014 liegt die Prognose bei 70 Tonnen. Die Zuckerträge je Hektar kletterten von 7,8 auf 12,3 Tonnen.

Experten wie die Agrarwissenschaftlerin Wulkow führen die höhere Ausbeute auf ein besseres Anbaumanagement der Landwirte und bessere Rübensorten zurück. Trotz der höheren Zuckereffizienz werde es schwer auf dem Weltmarkt. Arbeitsplätze - vom Anbau über Transport bis zur Verarbeitung - stünden auf dem Spiel. Die Anklamer Zuckerfabrik hat 156 Stammmitarbeiter und 26 Saisonkräfte. Pro Jahr werden die Rübenerträge von 21 000 Hektar Anbaufläche verarbeitet. dpa/nd

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