Oh, Blüte Schottlands

Im Fall der Unabhängigkeit könnte ein schottisches Olympiateam 2016 in Rio starten

Sollten sich die Schotten am Donnerstag für die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich entscheiden, steht auch der Sport in Schottland vor großen Umwälzungen.

»Oh, Blüte Schottlands, wann werden wir wieder Euresgleichen sehen« - schon 2012 erklang bei den Olympischen Sommerspielen von London das Lied »Flower of Scotland«, vorgetragen auf der Eröffnungsfeier von einem Kinderchor, der traditionelle Lieder aus allen vier Einzelstaaten vortrug, aus England, Wales, Nordirland und Schottland. Es war Zukunftsmusik: Sollte sich eine Mehrheit der Bewohner Schottlands am Donnerstag für die staatliche Unabhängigkeit entscheiden, könnte das Lied bald schon als offizielle Hymne bei Olympia erklingen. »Flower of Scotland« ist eines von drei Liedern, die bisher im Sport als »Hymnen« der Schotten fungierten.

Im Fußball längst üblich

Im Golf, Fußball oder Rugby ist »Flower of Scotland« bereits seit Jahrzehnten im Einsatz, denn die Weltfachsportverbände solcher britisch geprägten Sportarten haben seit jeher die Teilnahme von schottischen, walisischen, englischen und nordirischen Nationalmannschaften gestattet. Die Mehrzahl der internationalen Sportverbände und auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) indes erkennen nur Länder an, die auch von den Vereinten Nationen anerkannt sind.

Die Ausnahmen im Fußball führten dazu, dass die Briten seit 1976 nicht mal mehr an Qualifikationswettbewerben für Olympia teilnahmen. Die Verbände befürchteten, bei der FIFA könnte ihr Status als »home nations« aufgeweicht werden. Erst die Rückkehr der Spiele nach London 2012 bescherte dem olympischen Sport wieder eine britische Fußballauswahl bei den Spielen, nach langem Streit unter den vier Verbänden. Die Trikots von »Great Britain« waren dann als Reminiszenz an die schottische Nationalmannschaft in Dunkelblau gehalten, dennoch schaffte es kein einziger Schotte in das Team, das am Ende im Viertelfinale ausschied.

Bei jener unvergessenen Eröffnungsfeier von London 2012 trug Sir Chris Hoy den Union Jack ins Olympiastadion. Der mittlerweile zum Ritter geschlagene Bahnradsprinter ist Schotte und mit sechs Goldmedaillen der erfolgreichste britische Olympionike aller Zeiten. Nach den Spielen trat er zurück, doch sein Wort hat natürlich noch immer Gewicht. Als er sich im vergangenen Jahr skeptisch über mögliche Trainingsbedingungen künftiger schottischer Athleten äußerte, traf ihn die Kritik der Unabhängigkeitsbefürworter mit voller Wucht. Seither hält er sich mit Empfehlungen deutlich zurück. Auch Andy Murray, Tennisprofi und Olympiasieger von 2012, gibt sich zurückhaltend: »Wenn Schottland unabhängig würde, dann denke ich, dass ich für Schottland spielen würde.« Er glaube jedoch nicht, dass es überhaupt dazu kommt.

Sollten die Schotten indes für die Unabhängigkeit votieren, wird es knapp mit dem Start einer eigenen Mannschaft bei den Olympischen und Paralympischen Spielen 2016. Erst im März 2016 soll die staatliche Unabhängigkeit vollzogen sein, am 5. August 2016 beginnen die Wettbewerbe in Rio de Janeiro. Das IOC verlangt als Bedingung für eine Anerkennung als eigenständiges Nationales Olympisches Komitee die Anerkennung des Staates durch die Vereinten Nationen und die Mitgliedschaft in mindestens fünf internationalen Sportfachverbänden.

Den zweiten Teil der IOC-Auflage erfülle Schottland schon jetzt, betont die eigens installierte »Workinggroup on Scottish Sport« (WGSS). Schottlands nationale Verbände seien ja bereits in elf Sportarten in Weltverbänden vertreten: Fußball, Rugby, Basketball, Volleyball, Amateurboxen, Badminton, Curling, Golf, Hockey, Tischtennis und Gewichtheben. Die WGSS ist der Überzeugung, dass »es keine grundlegenden Hürden für eine olympische Anerkennung gibt«, heißt es in einem 50-seitigen Bericht, in dem die weitere Entwicklung des Sports in Schottland skizziert wird.

Das IOC ist wohlwollend

Nachdem ausgerechnet der schottische IOC-Vizepräsident Sir Craig Reedle eine Olympiateilnahme einer schottischen Mannschaft als »sehr, sehr schwierig« bezeichnet hatte, signalisierte IOC-Präsident Thomas Bach hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters, das IOC erkenne demokratische Wahlen an und werde auch im Falle der Unabhängigkeit im Interesse der Sportler entscheiden. Sollten die Schotten noch nicht unter eigener Fahne starten dürfen, ist es auch möglich, unter der Olympischen Flagge anzutreten, so wie es die Mazedonier 1992 in Barcelona taten oder die Sportler aus Osttimor 2000 in Sydney. Den Athleten soll es 2016 freistehen, ob sie bei Olympia für Schottland oder Großbritannien starten.

Die größte Problemstellung für den organisierten Sport ergibt sich in der künftigen Förderung: Der britische olympische Sport ist lotteriefinanziert. Schottlands Sportsekretärin Shona Robison hat verkündet, sie erwarte, dass die für vier Jahre zugeteilten 37 Millionen Pfund (47 Millionen Euro) in vollem Umfang in den schottischen Sport fließen. Das ist allerdings keinesfalls beschlossene Sache. Außerdem wird erwartet, dass sich viele Athleten fürs Geldverdienen entscheiden: Das funktioniert im »Team GB« deutlich besser.

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