New Yorker Worte, französische Revolutionen und Rockefellers Gründe

Claudia Kemfert, Professorin für Energiewirtschaft und Chefin des Energie- und Umweltbereichs am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW, über die Woche aus Klimarettersicht

  • Lesedauer: 5 Min.

klimaretter.info: Frau Kemfert, die Bilanz des UN-Klimagipfels in New York fällt durchwachsen aus. Zwar haben China und die USA ein »konkretes Reduktionsziel« angekündigt, aber genaue Zahlen legten sie entgegen den ursprünglichen Erwartungen von UN-Chef Ban Ki Moon nicht vor. Auch die zugesagten 2,3 Milliarden US-Dollar für den Grünen Klimafonds bleiben weit hinter den Erwartungen zurück. War der Gipfel trotzdem ein Erfolg?

Claudia Kemfert: Nein, kein Erfolg. Es war ein Gipfel der Worte statt der Taten: Statt konkrete Schritte für den Klimaschutz zu beschließen, hat man auf kommende Tagungen verwiesen, wo man sich vielleicht auf etwas einigen könnte. Weder haben die USA noch China wie angekündigt konkrete und verbindliche Klimaschutzanstrengungen benannt. Selbst der Betrag von 100 Milliarden Dollar für den Grünen Klimafonds war eigentlich schon beschlossene Sache. Nun wurde er wieder in Frage gestellt und es wurde über die Höhe der Beiträge diskutiert.

Zwar hat Frankreich die Revolution für den Klimaschutz angekündigt, aber in Anbetracht der Tatsache, dass der UN-Klimagipfel derart hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, wird die angekündigte »Revolution der Taten« wohl eher heiße Luft bleiben.

Umweltministerin Barbara Hendricks kündigt an, in Zukunft die Förderung von Kohlekraftwerken durch die staatliche KfW-Bank zu drosseln und Deutschlands überschüssige Emissions-Rechte aus dem Kyoto-Protokoll zu streichen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies wirklich passiert – und wie bewerten Sie es?

Grundsätzlich sind diese Ankündigungen begrüßenswert, denn sie sind überfällig. Dass allerdings überhaupt Kohlekraftwerke durch die KfW gefördert wurden, ist schon unglaublich. Auch in Deutschland sollte man auf den Neubau von Kohlekraftwerken sowie auf den Braunkohletagebau verzichten. Kohle passt nicht zu einer nachhaltigen Energie vwende. Aber selbst in Deutschland wird nicht konsequent genug für die Energiewende und gegen Kohlekraftwerke gehandelt.

Die Herausnahme überschüssiger Zertifikate im EU-Emissionshandel ist seit Langem notwendig, leider hat die Bundesregierung das in der Vergangenheit behindert. Zwar ist es gut, dass sie sich nun dafür einsetzt, aber die Wirkungen kommen viel zu spät: Der Zertifikatspreis ist viel zu niedrig, um genügend finanzielle Anreize für eine konsequente Energiewende zu setzen. Man bräuchte Emissionshandelspreise von über 40 Euro pro Tonne CO2, um den Neubau von Kohlekraftwerken zu verhindern. Weil das kaum erreichbar erscheint, benötigt man weitere Maßnahmen wie beispielsweise CO2-Grenzwerte. Leider kommen dazu von der Umweltministerin wenig Vorschläge.

Frankreichs Präsident François Hollande verkündet, dass es nach dem Pariser Gipfel 2015 eine weltweite Steuer auf Kohlendioxid geben soll. Erlebt die schon totgesagte CO2-Steuer eine Renaissance oder sind vielmehr CO2-Preise im Rahmen von Emissionshandelssystemen gemeint?

Grundsätzlich ist die Diskussion über die Einführung einer solchen CO2-Steuer begrüßenswert. Zwar wäre es aus rein ökonomischen Gesichtspunkten effizienter, man würde den CO2-Emissionsrechtehandel auf viele weitere Länder ausweiten, dennoch kann eine flankierende CO2-Steuer dem Klimaschutz nicht schaden. Wir benötigen dringend höhere CO2-Preise, und zwar weltweit. Es ist wohl wahrscheinlicher, dass Länder wie die USA oder China auch eine solche Steuer einführen, obwohl es dort schon CO2-Emissionshandelssysteme gibt, zumindest teilweise. Der französische Präsident will offensichtlich im nächsten Jahr in Paris die Klimaschutz-Revolution erreichen. Die Franzosen sind für gelungene Revolutionen bekannt, ob aber Vorschläge wie die von Hollande für eine Revolution im Klimaschutz ausreichen, ist mehr als fraglich.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Eine Meldung, die zu wenig Beachtung fand: Die Rockefeller-Familie zieht einen großen Teil ihres Geldes aus fossilen Energien ab und investiert in erneuerbare Energien. Es gibt keinen Namen, der mehr mit dem Öl-Geschäft verbunden wäre, als den von John D. Rockefeller, dem Gründer der Standard Oil Company, heute Exxon Mobil. Mit Öl sind die Rockefellers reich geworden. Dass sich die Erben der Familiendynastie nun aus dem Ölgeschäft zumindest teilweise zurückziehen, ist bahnbrechend und wegweisend – und vor allem aus ökonomischen Gründen sehr aussagekräftg.

Überraschend war dann doch die Begründung. Der Rockefeller-Erbe und Verwalter des Vermögensfonds Stephen Heintz sagte über den Gründer John D. Rockefeller: »Wir sind sicher, dass er als scharfsinniger Geschäftsmann mit Blick in die Zukunft, wenn er heute noch leben würde, sich von fossilen Energieträgern verabschieden und in saubere, erneuerbare Energie investieren würde.« Dem ist nichts hinzuzufügen.

Fragen: Benjamin von Brackel

Der Artikel auf klimaretter.info

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