NRW will die Standards für Flüchtlingsheime verbessern

Innenminister Jäger entschuldigt sich bei Asylbewerbern / Polizeigewerkschaft hält Übergriffe für »Spitze des Eisbergs«

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Zukünftig sollen in den Flüchtlingsheimen des Landes nur noch Wachleute arbeiten, die einer freiwilligen Sicherheitsüberprüfung durch Polizei und Verfassungsschutz zustimmen. Auch der Einsatz von Subunternehmen soll begrenzt werden.

Düsseldorf. Als Reaktion auf Misshandlungsvorwürfe in nordrhein-westfälischen Flüchtlingsheimen hat Innenminister Ralf Jäger (SPD) die Standards für den Einsatz von Sicherheitskräften verschärft. »Wir dulden keine Gewalt gegen Asylbewerber«, sagte Jäger am Dienstag in Düsseldorf. Zukünftig sollen in den Flüchtlingsheimen des Landes nur noch Wachleute arbeiten, die einer freiwilligen Sicherheitsüberprüfung durch Polizei und Verfassungsschutz zustimmen.

Zudem will Jäger den Einsatz von Subunternehmern in Asylunterkünften begrenzen. So müssen in Zukunft die vom Betreiber von Flüchtlingsheimen beauftragten Sicherheitsfirmen das Personal unmittelbar stellen und dürfen keine weiteren Subunternehmer beauftragen.

Zugleich bat der Düsseldorfer Innenminister die Opfer der Misshandlungen um Verzeihung. »Ich entschuldige mich persönlich bei den Opfern.« Was geschehen sei, sei menschenverachtend: »Es macht uns alle wütend und beschämt uns«, betonte er. Er sicherte zu, dass jedem Hinweis auf solche Vorfälle nachgegangen werde: »Hier wird nichts unter den Teppich gekehrt.« Auch die Möglichkeit eines fremdenfeindlichen Hintergrunds werde geprüft.

Die Misshandlung von Flüchtlingen in Bad Berleburg, Burbach und Essen hatte bundesweit für Bestürzung gesorgt. Mitarbeiter von privaten Sicherheitsfirmen sollen in mehreren Fällen Flüchtlinge gequält oder verletzt haben. Die Heime in Essen und Burbach werden vom Essener Unternehmen European Homecare betrieben, das mit einer privaten Sicherheitsfirma zusammenarbeitet hatte. Die Wachleute waren aber bei einem weiteren Subunternehmern angestellt.

Das Landeskriminalamt hat nach Angaben des NRW-Innenministers die zentrale Ermittlungsführung für die Vorfälle übernommen. Derzeit werde gegen elf Verdächtige ermittelt. »Auftrag ist es, alle Unterbringungseinrichtungen des Landes auf gleich gelagerte Sachverhalte zu überprüfen«, sagte Jäger. Jedem Verdacht werde nachgegangen. Auch die Möglichkeit eines fremdenfeindlichen Hintergrunds werde geprüft. Ein zu den Verdächtigen gehörender Mann hatte in einem Zeitungsinterview von einem »deutlich erkennbaren rechten Hintergrund« bei einigen seiner ehemaligen Kollegen gesprochen.

Berliner Sozialsenator: Bisher keine Misshandlungsvorwürfe bekannt

In Bundeshauptstadt sind bislang keine Misshandlungsvorwürfe gegenüber Sicherheitskräften in Flüchtlingsheimen bekannt. In den etwa 45 Berliner Einrichtungen werde nur zertifiziertes Personal von den Trägern eingesetzt, sagte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Dienstag in Berlin. Zudem müssten seit vergangener Woche alle Mitarbeiter ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. In etwa einem Viertel der Einrichtungen, die von der Arbeiterwohlfahrt betrieben werden, werde sogar ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis verlangt, betonte Czaja.

Der Präsident des Deutschen Städtetags, Ulrich Maly, forderte einheitliche Mindeststandards für den Umgang mit Flüchtlingen. »Wir haben im Moment einen Fleckenteppich von 16 verschiedenen Asylausführungsgesetzen, die komplett unterschiedlich sind«, sagte er im Deutschlandfunk. Maly warnte davor, nach den Vorfällen in Nordrhein-Westfalen alle Beschäftigten in Flüchtlingsunterkünften unter Generalverdacht zu stellen. »Das, was da passiert ist, ist unentschuldbar. Aber wir haben auch ganz andere Erfahrungen«.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), warnte dagegen davor, die Übergriffe auf Flüchtlinge als Einzelfälle einzustufen. Im Südwestrundfunk sagte Strässer, niemand solle sich sicher sein, dass es sich um bundesweite Ausnahmen handele. Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Reiner Wendt hält die Übergriffe in den NRW-Heimen nur für die Spitze des Eisbergs. »Davon bin ich überzeugt«, sagte er der »Saarbrücker Zeitung«. In allen Bundesländern müsse jetzt genau geschaut werden, wen man in Flüchtlingsheimen beschäftige. nd/Agenturen

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