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Staat vor privat im Hunsrück

Landkreis in Rheinland-Pfalz erledigt die Abfallwirtschaft selbst

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Viele kennen den zwischen Rhein, Mosel und Nahe gelegenen Rhein-Hunsrück-Kreis nur von der Autobahn A 61. Doch dort wurde eine Erfolgsgeschichte in Sachen kommunaler Daseinsvorsorge geschrieben: Der 100 000-Einwohner-Landkreis ist der erste in Rheinland-Pfalz, der seine Abfallwirtschaft komplett kommunalisiert hat.

Der Prozess begann bereits 2004, als sich die Verantwortlichen im CDU-dominierten Landkreis Gedanken über die Zukunft der Abfallwirtschaft machten, weil der Entsorgungsvertrag mit einem privatem Betreiberkonzern Ende 2005 auslief. Ohne Scheuklappen prüften sie Alternativen in kommunaler Regie und kalkulierten Kosten für Löhne, Fahrzeuge, Material und Gebäude. Das Ergebnis: Der Landkreis bewältigt mit der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) die Aufgaben besser und billiger als Private. So beschloss der Kreistag bei nur zwei Gegenstimmen die Gründung der Rhein-Hunsrück Entsorgung AöR (RHE). In 21 Monaten bauten die Verantwortlichen einen Fuhrpark auf, stellten Personal ein, besorgten Abfallbehälter, planten und organisierten Baumaßnahmen, Betriebsablauf und Tourenplanung. Anfang 2006 nahm die RHE den Betrieb auf.

Da die allermeisten Arbeiter des bisherigen Betreibers übernommen wurden, lief der Start trotz winterlicher Bedingungen reibungslos. Die erfahrene Belegschaft schätzt die Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes mit ihren Sozialleistungen und der Zusatzversorgung. Dass die RHE auch ohne Lohndumping kostengünstiger ist als Private, hat aus der Sicht des kaufmännischen Vorstands Thomas Lorenz handfeste Gründe. Abgesehen von der vorhandenen Infrastruktur und steuerlichen Vorteilen muss sie keine Gewinne an Konzernzentralen und Aktionäre abführen. Und sie bekommt als öffentlicher Betrieb für Kommunalkredite bessere Kreditkonditionen eingeräumt. Die RHE habe praktisch unter Beweis gestellt, »dass kommunale Unternehmen mindestens genau so wirtschaftlich Dienstleistungen erbringen können wie Privatunternehmen«, so Lorenz.

Sichtbarer Ausdruck der Erfolgsgeschichte ist die Tatsache, dass in acht Jahren fünfmal die Abfallgebühren gesenkt wurden - um insgesamt rund 25 Prozent. Der Kontrast zum Nachbarkreis Bad Kreuznach ist unübersehbar: Dort leitete die Kreistagsmehrheit eine europaweite Ausschreibung der Abfallentsorgung ein. Das aktuelle Ergebnis: Nur zwei Konzerne gaben Angebote ab, das billigste Angebot zieht Gebührenerhöhungen von über 20 Prozent nach sich! »Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sollten mehr Mut zeigen und vor der Ausschreibung sorgfältig prüfen, ob eine Aufgabenerbringung in eigener Regie nicht wirtschaftlich vorteilhafter ist«, empfiehlt Lorenz. Andere Landkreise haben inzwischen die Kooperation mit privaten Entsorgern beendet und Anschluss an kommunale Betriebe in Mainz oder Koblenz gefunden.

Gefahr für die RHE bestand 2009, als ein privater Konzern mit gewinnbringendem Altpapier absahnen wollte und unaufgefordert im Kreis blaue Tonnen aufstellen ließ. Diese »Rosinenpickerei« hätte die Quersubventionierung in der RHE zerstört und Gebührenerhöhungen ausgelöst. Doch die RHE klärte die Einwohnerschaft auf. »Die Menschen begriffen, was sie an ihrer RHE haben«, freut sich Roger Mallmenn, Linksfraktionschef im Kreistag. »Durch die Geschlossenheit der Einwohner konnte dieser Angriff abgewehrt werden.«

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