Popkultur für U-60

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Man könnte es für eine Randnotiz der neuen Medien halten, aber dass der Online-Dienst BuzzFeed, in den USA sagenhaft erfolgreich, nun auch auf Deutsch zu lesen ist, sollte dem linearen Fernsehen, ob öffentlich-rechtlich oder privat, durchaus Sorge bereiten. Noch ist dort zwar bloß leidlich unterhaltsamer Unsinn zu lesen. Schon bald aber soll es auch dort seriös recherchierten Journalismus geben. Vorerst nicht grad in der Güte von »37°«, wo am Dienstag im ZDF der Irrsinn industrieller Fleischproduktion problematisiert wird. Doch besonders die Lordsiegelbewahrer von ARD bis Arte sollten digitale Plattformen wie BuzzFeed zum Anlass nehmen, ihre Strategie im Umgang mit der Generation Internet grundlegend zu überdenken.

Jan Böhmermanns »Neo-Magazin« ab Februar ins Hauptprogramm des ZDF zu holen, ist da ein Anfang. Dessen Ende allerdings schnell in Sicht gerät: Die Ministerpräsidenten haben entscheiden, den lang geplanten Jugendkanal nun doch ins Netz abzuschieben und was tun ARZDF: Sie kündigen dennoch das Aus der zwei Spartenperlen ZDFkultur und EinsPlus an. Dabei ist wirklich nur zu sichtbaren Sendezeiten kostenlos zu sehen, was gediegene Populärkultur so für Menschen unter 60 bereithält. Hier gibt es das ganze Wochenende einschließlich Montag Musik, echte Musik, während das Erste (mit) Florian Silbereisen feiert.

Immerhin gibt es noch Geld für wichtigere Dinge aus. Den Mittwochsfilm »Momentversagen« zum Beispiel mit Felix Klare als Staatsanwalt, dessen zivilcouragiertes Eingreifen sein komplettes Leben ins Wanken bringt. Leider muss sich Friedemann Fromms Drama mit der Champions League messen, für die das ZDF zeitgleich Gebühren verpulvert.

Trotzdem zeigen Tage wieder dieser, dass öffentlich-rechtlich unterhaltsam und gut sein kann und bildet somit die Antithese zum Donnerstag, wo Francis Fulton-Smith in der süffigen ARD-Anwaltsreihe »Ein Fall von Liebe«, klar: Francis Fulton-Smith spielt und parallel dazu Johannes B. Kerner im »Quiz-Champion 2014« als, genau: JBK. Das ist in seiner Ödnis so berechenbar wie es der ARD-Freitag mal war. Mittlerweile gibt es da allerdings seriöses Programm wie »Brezeln für den Pott«, in dem der fabelhafte Hans-Jochen Wagner bayerisches Salzgebäck nach Duisburg bringt. Die Jugend holt man damit aber eher nicht vom Smartphone weg.

Das schafft höchstens Importware wie »Dracula«, den Vox ab dem heutigen Montag um 22.10 Uhr am viktorianischen London saugen lässt. Mit Jonathan Rhys Meyers als schöner Vampir und Thomas Kretschmann als dessen Widersacher van Helsing, der diesmal eine Allianz mit dem Blutsauger eingeht, wobei hier ohnehin viele Rollen getauscht werden zwischen gut und böse. Hätte also schlimmer kommen können. Was man vom »Tatort« diesmal nicht behaupten kann. Dann ist Lena Odenthal auf den Sonntag genau 25 Jahre im Dienst, weshalb sich »Blackout« vor allem mit ihrem Burnout befasst. Das macht Hoffnung, Ulrike Folkerts geht doch bald in den verdienten Ruhestand.

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