Müller vorm Gesprächsmarathon

Designierter Regierender auf Senatorensuche / Neue Debatte um linkes Regierungsbündnis

Spekulationen, die Wahl Michael Müllers zum Wowereit-Nachfolger würde vorverlegt, sind erst mal vom Tisch. Müller muss sich jetzt daran machen, den unterbesetzen Senat wieder zu komplettieren.

Kaum ist der Mitgliederentscheid um das Erbe Klaus Wowereits in der SPD gelaufen, geht die Personaldebatte in die nächste Runde. Offen war, ob der künftig Regierende, Stadtentwicklungssenator Michael Müller, sein Amt schon vor dem eigentlich noch von Wowereit gesetzten Termin am 11. Dezember antreten wird, oder ob es dabei bleibt, dass er seinen Abschied mit der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses in diesem Jahr zusammenlegt. Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Antje Kapek und Ramona Pop hatten gefordert, die »Hängepartie muss endlich ein Ende haben«. Die Grünen schlugen einen Wahltermin im November vor. Das Abgeordnetenhaus, das den künftigen Regierenden Bürgermeister wählt, tagt zuvor noch am 13. und am 27. November. Michael Müller wird auf dem SPD-Parteitag am 8. November offiziell als Nachfolger Wowereits nominiert.

Im Senat hält man sich ob eines vorgezogenen Termins bedeckt. »Der Regierende hat sich erklärt und ein Rücktrittsdatum festgelegt«, kommentiert Senatssprecher Richard Meng die Debatte gegenüber »nd«. Michael Müller selbst sieht ebenfalls keinen Grund zur Hektik. Für ihn bricht nun ein Gesprächsmarathon an. Sowohl sein eigenes Stadtentwicklungsressort als auch das von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) müssen neu vergeben werden. Müller habe bereits Kandidaten im Blick, sagte er.

Trotz des eher mageren Ergebnisses für Mitbewerber und Landesvorsitzenden Jan Stöß (20,88 Prozent) steht die Rückeroberung des Parteichefpostens für Müller aber nicht zur Debatte. Das Mitgliedervotum habe aber klar gemacht, wer ab sofort den Ton angeben wird. Stöß hatte Müller im Juni 2012 in einer Kampfkandidatur von der SPD-Spitze verdrängt und hat weiter vor, Landesvorsitzender zu bleiben. »Ich will und werde als Landesvorsitzender meinen Beitrag dazu leisten, dass die ganze Berliner SPD geschlossen und einig hinter unserem neuen Regierenden Bürgermeister steht«, schreibt Stöß in einer E-Mail an den Landesvorstand.

Heftige Kritik musste sich Stöß vom noch amtierenden Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (ebenfalls SPD) gefallen lassen, der in der Abendschau mit den Worten zitiert wird: »Ein Abstimmungsergebnis, wo 80 Prozent der Mitglieder dem Vorsitzenden nicht folgen und ihm nicht das Vertrauen schenken, ist für den Vorsitzenden desaströs. Wenn mir das passieren würde, dann würde ich darüber nachdenken, ob ich überhaupt noch das Vertrauen der Mitglieder habe.« SPD-Landesgeschäftsführer Dennis Buchner ist wenig begeistert, wegen solcher Querschüsse, bei allen Einigkeitsbeschwörungen, die in den letzten 48 Stunden aus der Parteizentrale strömten. »Wettbewerb hat es an sich, dass es am Ende einen Gewinner gibt. Wer dann meint, auf den Zweitplatzierten loszuprügeln, muss sich fragen, ob so etwas dem Wettbewerb und der Partei nützt«, sagt Buchner dem »nd«.

Den Posten von Fraktionschef Raed Saleh stellt offiziell niemand infrage, auch wenn er das schlechteste Ergebnis der drei Bewerber kassierte (18,68 Prozent / 2008 Stimmen). »Die Fraktion wird so klar hinter Michael Müller stehen, wie sie auch immer hinter Klaus Wowereit stand«, sagt Buchner. Raed Saleh sei ein »starker und kommunikativer Vorsitzender mit großem Rückhalt«. Saleh hatte noch am Wahlnachmittag selbstbewusst erklärt, dass er und die Fraktion gut mit Michael Müller zusammenarbeiten werden.

Für einen Regierungswechsel nach den Wahlen 2016 wäre Müller für die Linkspartei ein annehmbarer Gesprächspartner. »Es kommt natürlich auf inhaltliche Übereinstimmungen an, aber Michael Müller ist offen, ehrlich und absprachefest. Das sind nicht die schlechtesten Eigenschaften«, sagt der Linksfraktionsvorsitzende Udo Wolf. Die LINKE hält Neuwahlen nach wie vor für die bessere Lösung nach dem Rücktritt Wowereits.

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