Jäger bleibt die Jagd verboten

Trotz Blattschuss: Bundesverwaltungsgericht lässt Waffengebrauch unter Alkoholeinfluss nicht durchgehen

  • Sven Eichstädt, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum Wildbret gehört ein guter Rotwein. Wild und Wein gehören also in der Regel zusammen, könnte man meinen. Das Bundesverwaltungsgericht kippte jedoch nun Essig in den guten Tropfen.

Horst Robok ist seit 40 Jahren Jäger in Köln und hatte sich seinen Fernsehabend mit zwei Gläsern Rotwein, die zusammen einen halben Liter ergaben, und einem Glas Wodka von 30 Millilitern verschönert. Doch danach begab er sich nicht zu Bett, sondern packte seine Flinte ins Auto und fuhr zur Jagd. Erfolgreich, wie sich erweisen sollte. Mit einem Blattschuss streckte er einen Rehbock nieder. Auf der Rückfahrt wurde er von Polizisten angehalten. Ein freiwilliger Alkoholtest gleich am Auto aus dem Atem des Schützen ergab einen Wert von 0,47 Promille, auf der Wache wurden bei einer späteren Untersuchung noch 0,39 Promille festgestellt.

Grund genug für das Polizeipräsidium in Köln, ihm im Jahr 2010 die waffenrechtlichen Erlaubnisse von 1974 und 1990 zu widerrufen: Der Jäger sei im waffenrechtlichen Sinne unzuverlässig, weil er eine Waffe im alkoholisierten Zustand zu Jagdzwecken benutzt habe. Robok legte Widerspruch dagegen ein, weil er weiter jagen wollte, der jedoch abgewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage des Jägers im September 2011 ebenfalls ab, das Oberverwaltungsgericht Münster wies schließlich im Februar 2013 seine Berufung gegen die Kölner Entscheidung zurück.

Nun ruhten Roboks Hoffnungen am Mittwoch auf den fünf Richtern des sechsten Senats des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, die allerdings auch nicht in seinem Sinne entschieden (BVerwG 6 C 30.13). Sie wiesen seine Revision gegen die Entscheidung von Münster zurück. »Vorsichtig und sachgemäß geht mit Schusswaffen nur um, wer sie ausschließlich in nüchternem Zustand gebraucht und sicher sein kann, keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu erleiden, die zu Gefährdungen Dritter führen können«, begründete der Vorsitzende Richter Werner Neumann die Entscheidung. »Bei der vom Kläger konsumierten Alkoholmenge waren solche Ausfallerscheinungen jedenfalls nicht hinreichend sicher ausgeschlossen.«

Diese Alkoholkonzentration war nach Auffassung der Bundesrichter geeignet, die Reaktionsgeschwindigkeit sowie die Wahrnehmungsfähigkeit zu mindern und enthemmend zu wirken. Zusätzlich gilt: Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang bei Jäger Robok im konkreten Fall alkoholbedingte Ausfallerscheinungen aufgetreten seien, sei unerheblich. Polizisten hatten nach der Kontrolle damals notiert, Robok mache »einen benommenen und distanzlosen Eindruck«.

Richter Neumann ergänzte: »Unvorsichtig und unsachgemäß ist der Gebrauch von Schusswaffen bereits dann, wenn ein Waffenbesitzer hierbei das Risiko solcher Ausfallerscheinungen eingegangen ist.« Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit setze die Fähigkeit und die Bereitschaft voraus, Risiken mit dem Potenzial der Schädigung Dritter strikt zu vermeiden, zumal wenn dies problemlos möglich sei.

»Dass der Kläger sich trotz dieser offenkundigen Risiken vom Schusswaffengebrauch nicht hat abhalten lassen, rechtfertigt die Prognose, dass er auch künftig mit Waffen nicht vorsichtig und sachgemäß umgehen wird«, fügte Neumann an. »Wer das Risiko alkoholbedingt geminderter Reaktionsgeschwindigkeit und Wahrnehmungsfähigkeit oder alkoholbedingter Enthemmung auch nur in einem Fall des Schusswaffengebrauchs in Kauf genommen hat, verdient das Vertrauen nicht länger, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird.« Damit gilt nach höchstrichterlicher Entscheidung nunmehr: Wild und Wein passen nicht in jedem Fall zusammen.

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