Thüringen: Linke will bei Rot-Rot-Grün »Ankerpartei« sein

Parteitag beschließt: Mitglieder werden über einen rot-rot-grünen Koalitionsvertrag entscheiden / Landeschefin Hennig-Wellsow: Linker MP verändert ganze Bundesrepublik

  • Lesedauer: 4 Min.

Update 16.50 Uhr: Bei der Thüringer Linken werden die Mitglieder über einen rot-rot-grünen Koalitionsvertrag entscheiden. Der Landesparteitag beschloss am Samstag in Leimbach (Wartburgkreis) die Urabstimmung über die Inhalte des Vertrages. Die Basis folgte damit der Empfehlung des Landesausschusses. Der Mitgliederentscheid ist nach Angaben eines Parteisprechers gültig, wenn sich mindestens 25 Prozent der rund 5.300 Mitglieder der Thüringer Linke beteiligen. Die Basis soll nach Vorliegen eines Koalitionsvertrages innerhalb von zehn Tagen befragt werden. Mit einem Ergebnis ist dann frühestens Anfang Dezember zu rechnen.

Ministerpräsidentenkandidat Ramelow ruft zu Geschlossenheit auf

Berlin. Die Thüringer Linke will in einer möglichen rot-rot-grünen Landesregierung die Ankerpartei sein. Dies sagte Ministerpräsidentenkandidat Bodo Ramelow am Samstag bei einem Parteitag in Leimbach. Er mahnte vor möglichen Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen zudem zur Geschlossenheit. »Zwei Linke, drei Spaltungen, das war immer die Schwäche der deutschen Linken - machen wir nicht den Fehler«, so Ramelow vor rund 140 Delegierten im Wartburgkreis.

Der Fraktionsvorsitzende rechnet überdies mit schnellen Koalitionsverhandlungen für die bundesweit erste rot-rot-grüne Regierung unter seiner Führung. »Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen, die Verhandlungen sehr zügig zu fahren«, sagte er. Er erwarte in der ersten oder zweiten Dezemberwoche die entscheidende Ministerpräsidenten-Wahl im Landtag. »Dann wird sich zeigen, ob getragen von Urabstimmungen in drei Parteien die Landtagsmehrheit von 46 Stimmen zustande kommt.« Ein rot-rot-grünes Bündnis hätte im Landtag nur eine Stimme Mehrheit.

Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche - »gute Basis für den Einstieg in Koalitionsverhandlungen zwischen den drei Parteien« - hier als PDF

Ramelow hatte zuvor das einstimmige Votum des Grünen-Landesvorstandes für eine Koalition mit der Linken und der SPD als Vertrauensbeweis gewertet. Einstimmigkeit habe er nicht erwartet, sagte Ramelow am Freitag im Inforadio des RBB. Am Donnerstagabend hatten die Grünen wie schon vorher die Linke und die SPD einstimmig für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen für eine rot-rot-grüne Landesregierung gestimmt. Ramelow betonte, er hoffe, dass auch die SPD-Mitglieder am Ende zustimmen würden.

Die Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow sagte: »Wenn Thüringen von einem linken Ministerpräsidenten regiert wird, verändert das nicht nur Thüringen, sondern die ganze Bundesrepublik.« Sie zeigte sich optimistisch, dass die SPD-Basis bei der Mitgliederbefragung der Empfehlung für Rot-Rot-Grün folge. Dann sei der nächste schwere Brocken von den Schienen geräumt und der Zug fast nicht mehr aufzuhalten.

Keine Angst vor linkem Regierungschef
Mehrheit im Osten hält Ministerpräsident der Linkspartei für gut - hier

Es gehe »nicht nur darum, Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten zu wählen«, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Steffen Dittes. »Wir sind mehr als Bodo Ramelow.« Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn sieht in einem linken Regierungschef einen »unglaublich großen Schritt«. Er warnte jedoch auch vor überfrachteten Erwartungen. In Thüringen werde nicht der Politikwechsel im Bund oder in Sachsen-Anhalt entschieden.

Landeschefin Hennig-Wellsow verteidigte erneut die parteiintern umstrittene Erklärung zum DDR-Unrecht. Die Linke habe mit dem Papier nicht ihre Seele verkauft, um an die Macht zu kommen, sondern einen Kompromiss für einen Politikwechsel geschlossen. Der Begriff Unrechtsstaat beziehe sich auf das Fehlen freier Wahlen und die politische Willkür der DDR-Herrschenden und ausdrücklich nicht auf die Biografien der DDR-Bürger. Die Unterdrückung politisch Andersdenkender und die Todesschüsse an die Mauer seien nicht weniger Unrecht, nur weil es keine Arbeits- und Obdachlosigkeit in der DDR gegeben habe, sagte Hennig-Wellsow.

Auf die Erklärung hatten sich Linke, SPD und Grüne während ihrer Sondierungsgespräche für die möglicherweise erste rot-rot-grüne Landesregierung mit einem Ministerpräsidenten der Linken verständigt. Die Linke hatte bei der Landtagswahl im September in Thüringen 28,2 Prozent der Stimmen geholt und war damit hinter der CDU zweitstärkste Kraft geworden. Auf dem Parteitag steht am Sonntag noch der Beschluss zu einer Urabstimmung über einen möglichen rot-rot-grünen Koalitionsvertrag an. dpa/nd

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