Der Regierungswechsel in Thüringen rückt näher

Gysi erwartet Zustimmung von linker und grüner Basis / Umbau der Ressorts in Thüringen beschlossen / Linke fordert Lieberknecht zu Kandidatur auf

  • Lesedauer: 5 Min.

Update 19.30 Uhr: Die LINKEN-Bundesvorsitzende Katja Kipping sagte der »Neuen Osnabrücker Zeitung«: »Rot-Rot-Grün wird Thüringen modernisieren. Es geht um sozialen Zusammenhalt, wirtschaftlichen Erfolg und ökologischen Umbau. Wenn es gut läuft, hat das Signalwirkung.«

Update 16.35 Uhr: Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, hat den Thüringer Koalitionsvertrag als »historisch« bezeichnet. Die drei Parteien hätten »die Chance des Wahlabends vom 14. September genutzt«, der Koalitionsvertrag sei »ein rot-rot-grünes Gemeinschaftswerk«, das für eine soziale, ökologische und demokratische Modernisierung des Landes Thüringen stehe. Höhn sagte, er sehe dem Ausgang des Mitgliederentscheids in der Thüringer Linken »optimistisch entgegen«. Er erwähnte drei »Herzensangelegenheiten« seiner Partei, die sich im Koalitionsvertrag wiederfinden: der Einstieg in den sozialen Arbeitsmarkt, die Verbesserungen für die Zukunftschancen von Kindern und der Bereich Demokratisierung mit Vorhaben, »den Verfassungsschutz stärker demokratisch zu kontrollieren und mehr gegen Rechtsextremismus und jede Form von Rassismus zu tun«. Die Verhandlungen in Thüringen zwischen Linkspartei, SPD und Grünen hätten »gezeigt, was möglich ist, wenn sich alle Seiten bewegen«. Höhn zeigte sich »optimistisch, dass auch in anderen Bundesländern Mehrheiten für einen Politikwechsel möglich sind«.

Update 16.15 Uhr: Umweltverbände haben sich positiv über den rot-rot-grünen Koalitionsvertrag geäußert. Der WWF erklärte, Thüringen sei damit »in ökologischer Hinsicht auf einem guten Weg«. Auf Wohlwollen stieß unter anderem »die geplante Zertifizierung der Staatswälder nach FSC-Standard und den anvisierten natürlichen Hochwasserschutz mittels großzügiger Überschwemmungsflächen«. Zustimmung fand auch »die Absicht, fünf Prozent der Waldfläche aus der wirtschaftlichen Nutzung zu nehmen und einen durchgehenden Verbund naturnaher Flächen zu schaffen, stießen auf Zustimmung«. Ähnlich äußerte sich der Naturschutzbund NABU. Beim Thüringer Landesverband hießt es, der Koalitionsvertrag sei »eine Chance für den Naturschutz«. Der Verband begrüßt vor allem die Einführung von zehn Meter Uferrandstreifen, die Verbesserung des Waldnaturschutzes , die Aufstockung des Förderprogramms Entwicklung Natur und Landschaft (ENL) und die Verbesserung des Natura 2000-Schutzes. »Die Koalition hat die Weichen für eine zukunftsfähige Natur- und Umweltschutzpolitik in Thüringen gestellt«, sagte Mike Jessat, der Landesvorsitzende des NABU. »Unsere Auen sind aber auch wichtige Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten. Die Reduzierung des Ackerbaus in den zehn Metern kommt dann auch Biber und Eisvogel zu Gute«, so Jessat.

Update 15.15 Uhr: Die Grünen-Politikerin Astrid Rothe-Beinlich hat bei der Basis ihrer Partei um Zustimmung für die rot-rot-grüne Koalitionsvereinbarung geworben. »Der Vertrag kann von uns zurecht selbstbewusst nach Außen getragen werden, finden sich darin doch unsere maßgeblichen Grundüberzeugungen wieder«, erklärte die Landtagsabgeordnete. Das Papier trage »eine unübersehbare grüne Handschrift und ist doch Kompromiss mit unseren beiden Partnern für die nächsten fünf Jahre«. Rothe-Beinlich verwies unter anderem auf die Umwelt-, Energie-, Flüchtlings-, Bildungs- und Netzpolitik. Dort werde »exemplarisch deutlich, dass es um einen Paradigmenwechsel und eine andere politische Kultur geht, die nicht verordnet, sondern Gelingensbedingungen mit fairen Chancen schafft und Menschen auf Augenhöhe begegnet«. Sie »werbe darum, dem Vertrag zuzustimmen«.

Update 15.05 Uhr: Die Linkspartei hat an die CDU-Ministerpräsidentin von Thüringen, Christine Lieberknecht, appelliert, bei der bevorstehenden Ministerpräsidentenwahl den Mut zur Gegenkandidatur aufzubringen, oder den Platz für einen anderen Gegenkandidaten frei zu machen. Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, und die thüringische Landesvorsitzende Susanne Henning-Wellsow sagten der »Leipziger Volkszeitung«, Rot-Rot-Grün habe »ein Regierungsprogramm, eine Mehrheit und einen Kandidaten. Die CDU hat nichts davon.« Frau Lieberknecht müsse jetzt schnell Klarheit schaffen. »Es steht 3:0 für Rot-Rot-Grün. Die CDU sollte jetzt wenigstens einen von der ganzen Partei getragenen Kandidaten für die Ministerpräsidentenwahl präsentieren.«

Update 14.35 Uhr: Wie sieht es mit der Verteilung der Verantwortung aus? In der künftigen Regierung wird die Linkspartei neben dem Ministerpräsidenten und dem Chef der Staatskanzlei auch die Spitzen der Ressorts Infrastruktur, Bildung sowie Soziales und Arbeit besetzen. Die SPD stellt die Minister für Finanzen, Inneres sowie Wirtschaft und Forschung; die Grünen erhalten das Justiz- und Umweltministerium.

Update 14.20 Uhr: Linksfraktionschef Gregor Gysi hat mit Blick auf den Koalitionsvertrag von Linkspartei, SPD und Grünen in Thüringen von einem »beachtlichen Erfolg« gesprochen. Die vereinbarten Vorhaben »klingen vielversprechend und können Thüringen zum Besseren verändern«, sagte der Linkenpolitiker. »Alle Sorgen, dass in dieser Koalition die Wirtschaft leiden könnte, sind unbegründet. Besonders wichtig sind im Koalitionsvertrag die sozialen Komponenten, die ökologischen Komponenten, die höhere Einstufung der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger und das Schwergewicht bei der Bildung.« Gysi drückte seine Erwartung aus, »dass die Mitglieder der Linken und der Grünen in Thüringen diesem Koalitionsvertrag deutlich ihre Zustimmung geben werden«.

Update 14.15 Uhr: Rot-Rot-Grün habe sich auf ein »Abstiegsprogramm für Thüringen« geeinigt, sagt CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Die »Koalition der Wahlverlierer« setze auf »ideologiegetriebene Eingriffe des Staates in Wirtschafts und Gesellschaft«, was sich anhand der geplanten Abschaffung des Landeserziehungsgeldes zeige. Die CDU stehe weiterhin dafür bereit, um gemeinsam mit SPD und Grünen zu regieren.

Update 13.50 Uhr: Der Grünen-Politiker und vor wenigen Wochen wiedergewählte Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, sieht das angestrebte rot-rot-grüne Regierungsbündnis von Thüringen als beste Eintrittskarte für seine Partei, in Zukunft auch offen und offensiv da wo es geht, mit der Union zusammen Regierungskoalitionen zu bilden. Gegenüber der »Leipziger Volkszeitung« widersprach Palmer zugleich der Erwartung der Linken-Parteichefin Katja Kipping, mit Thüringen sei ein Teil eines zukünftigen roten Rings um das Kanzleramt in Arbeit. Das Thüringer Bündnis »erweitert unsere Optionen in beide Richtungen«, meinte Palmer. »Wer Rot-Rot-Grün macht, kann auch bedenkenlos Schwarz-Grün machen«.

Update 13.15 Uhr: Die Linkenpolitikerin Ulla Jelpke hat mit Blick auf Rot-Rot-Grün in Thüringen erklärt, sie selbst sei zwar der Ansicht, dass die Linkspartei immer geneigt sei, gegenüber der SPD und den Grünen »zu viel Kompromisse« einzugehen. Gegenüber der »Leipziger Volkszeitung« sagte die Bundestagsabgeordnete jedoch auch, sie »finde, man muss Rot-Rot-Grün in Thüringen eine echte Chance geben«. Zudem seien die Mitglieder auch künftig gefragt: »Wenn es schief zu laufen droht, hoffe ich, dass die Basis ordentlich Dampf macht.«

Update 12.55 Uhr: Linkspartei, SPD und Grüne haben am Mittag in Erfurt das Regierungsprogramm einer künftigen rot-rot-grünen Koalition in Thüringen vorgestellt. »Der Koalitionsvertrag trägt die Handschrift aller Parteien«, erklärte die LINKEN-Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow. Die 67 Tage dauernden Verhandlungen hätten auf gleichberechtigter Augenhöhe stattgefunden. Als Leitgedanke gehe es um eine »soziale, demokratische und ökologische Neugestaltung Thüringens«, so Hennig-Wellsow. »Wir werden nicht alles besser, aber vieles besser machen.«

SPD-Landesvorsitzender Andreas Bausewein betonte, den Sozialdemokraten sei es vor allem um die Einhaltung der Schuldenbremse gegangen. »Wir sind uns einig, dass es mit Rot-Rot-Grün keine neuen Schulden geben wird«, sagte Bausewein. Dennoch wolle die Koalition etwa mit der Einführung eines kostenloses Kitajahres und der Einstellung von 500 zusätzlichen Lehrern im Jahr das Land sozialer gestalten. Die Koalitonspartner erklärten, ihnen sei klar, dass die Finanzierung der angestrebten Projekte nicht innerhalb kurzer Zeit möglich sei, weshalb es eine Prioritätenliste gibt. »Es ist uns auch klar, dass nicht alles, was wir uns vorgenommen haben, sofort umsetzbar sein wird«, sagte Grünen-Chef Dieter Lauinger. Der Grünen-Chef hob hervor, seiner Partei sei es aus ihrer Geschichte heraus für die Aufnahme von Verhandlungen wichtig gewesen, eine neue Gedenkkultur zur DDR-Aufarbeitung festzuschreiben.

Update 12.30 Uhr: Laut der LINKEN-Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow ist der Leitgedanke des Koalitonvetrages: eine »soziale, demokratische und ökologische Neugestaltung Thüringens«.

Update 12.22 Uhr: Zu Beginn der Vorstellung des Regierungsprogrammes hat die LINKEN-Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow erklärt, der Koaltionsvertrag trage die Handschrift einer rot-rot-grünen Koalition. »Die Verhandlungen haben auf Augenhöhe stattgefunden«, so Wellsow.

Update 12.05 Uhr: Linke, SPD, und Grüne haben in Erfurt damit begonnen, ihr Regierungsprogramm für eine rot-rot-grüne Koalition vorzustellen.

Update 9.35 Uhr: Nach Angaben der »Thüringer Allgemeinen« wird das Justizministerium in Thüringen zu einem Migrationsministerium ausgebaut. Die rot-rot-grüne Regierung wolle das Ressort um den Bereich Asyl- und Einwanderungspolitik aus dem Innenministerium erweitern, heißt es in einem Bericht, der sich auf Verhandlungskreise der Koalitionsgespräche zwischen Linke, SPD und Grünen beruft.

Update 7.45 Uhr: Berichten zufolge will die Linkspartei in Thüringen das Bildungsministerium, das Sozialressort, die Staatskanzlei sowie das neu strukturierte Ministerium für Bau-Verkehr-Landwirtschaft übernehmen. Die SPD könnte die Bereiche Innen, Finanzen und Wirtschaft erhalten, die Grünen das Justizministerium und das Umweltressort.

Gysi: »ein historischer Schritt«

Berlin. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, wünscht sich mit Blick auf das näher rückende rot-rot-grüne Bündnis in Thüringen bis 2017 möglichst viele Landesregierungen ohne CDU. Der »Neuen Osnabrücker Zeitung« sagte sie, Rot-Rot-Grün werde »Thüringen modernisieren. Es geht um sozialen Zusammenhalt, wirtschaftlichen Erfolg und ökologischen Umbau. Wenn es gut läuft, hat das Signalwirkung.« Das Ziel der Linken sei »ein roter Ring ums schwarze Kanzleramt«.

Am Donnerstag präsentieren die Landesvorsitzenden von Linkspartei, SPD und Grünen in Erfurt den Koalitionsvertrag für Deutschlands erste rot-rot-grüne Landesregierung. Die drei Parteien haben sich mehr als zwei Monate nach der Landtagswahl auf ein Regierungsprogramm sowie den künftigen Zuschnitt der Ministerien verständigt. Damit könnte die Linkspartei mit Bodo Ramelow ihren ersten Ministerpräsidenten ins Amt bringen. Das Dreierbündnis hat im Landtag nur eine Stimme Mehrheit und würde die CDU erstmals seit der Wiedergründung Thüringens in die Opposition schicken. Ramelows Wahl zum Regierungschef ist für den 5. Dezember geplant.

Linksfraktionschef Gregor Gysi sagte im Sozialen Netzwerk Facebook, »wenn Bodo Ramelow am 5. Dezember zum Ministerpräsidenten gewählt wird, dann ist das ein historischer Schritt, weil erstmalig in der Bundesrepublik ein Politiker einer Partei links von der SPD eine Landesregierung anführte. Ich bin davon überzeugt, dass diese Landesregierung den Bürgerinnen und Bürgern unter Beweis stellen wird, dass Rot-Rot-Grün zu einer wirklichen Politikalternative taugt.«

Rot-Rot-Grün will unter anderem ein kostenfreies Kita-Jahr einführen und mehr Geld für nichtstaatliche Schulen und Kommunen ausgeben. Zudem soll der Verfassungsschutz nur noch in Ausnahmefällen V-Leute einsetzen dürfen. Für dieses Vorhaben erntete das Bündnis prompt Kritik vom scheidenden Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke: »Deutschland kann überhaupt nicht ohne V-Leute arbeiten«, sagte er dem Fernsehsender »Phoenix«.

In den Koalitionsverhandlungen wurde auch ein Umbau der Ressorts beschlossen: Künftig soll es unter anderem ein Ministerium für Umwelt und Energie sowie für Arbeit und Soziales geben. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll die Linke drei Fachminister, darunter die für Bildung und Arbeit, sowie den Chef der Staatskanzlei stellen. Die nur halb so starke SPD würde danach ebenfalls drei Fachressorts leiten - unter anderem Finanzen und Inneres. Die Grünen bekämen das Umweltministerium und das Justizressort. Der Koalitionsvertrag muss noch durch Mitgliedervoten der Linken und der Grünen bestätigt werden.

Thüringens CDU-Fraktionsvorsitzender Mike Mohring sagte das Scheitern der neuen Koalition voraus. »Die Geschichte wird denjenigen Recht geben, die von Anfang an ihre Skepsis geäußert haben«, sagte er der »Thüringischen Landeszeitung«. Für diesen Fall stehe die CDU weiter für ein Bündnis mit SPD und Grünen bereit. Agenturen/nd

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