Linkenvorstand zieht Grenze bei Israelkritik

Keine Akzeptanz für Infragestellung des Existenzrechts und für Boykottaufrufe / Auch Kritik an »pauschalisierendem Antisemitismusvorwurf«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Vorstand der Linkspartei hat sich gegen eine Beteiligung »an jeglichen Initiativen, Bündnissen oder Veranstaltungen« ausgesprochen, bei denen »das Existenzrechts Israels in Frage« gestellt wird. Auch »Boykottaufrufe gegen israelische Produkte« verböten sich, so ein Beschluss des Gremiums vom Samstag. Man erwarte, »dass jegliche Aktivitäten von Gliederungen und Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern unserer Partei grundsätzlich auf der Basis unserer programmatischen Grundsätze erfolgen«.

Im Parteiprogramm stehe, dass die Bundesrepublik wegen der beispiellosen Verbrechen des NS-Terrors besondere Verantwortung für Israel trage. »Insbesondere diese Verantwortung verpflichtet auch uns, für das Existenzrecht Israels einzutreten.« Zugleich wurde »eine inflationäre Verwendung« des Antisemitismus-Vorwurfs zurückgewiesen. Debatten in der Linken müssten »die nötige Trennschärfe aufweisen und dem pauschalisierenden Antisemitismusvorwurf nicht durch eigene Handlungen oder Stellungnahmen Vorschub leisten«.

Das Thema war unter anderem durch die Diskussion um einen Eklat im Bundestag auf die Tagesordnung gekommen. Einige Bundestagsabgeordnete hatten zwei umstrittene israel-kritische Journalisten eingeladen, diese hatten Linksfraktionschef Gregor Gysi bedrängt, der dabei mit einer Kamera bis auf eine Bundestagstoilette verfolgt wurde. Die Abgeordneten entschuldigten sich später für den Vorfall. Gysi hat das akzeptiert. Innerhalb der Linkspartei war es darauf aber erneut zu einer Diskussion über das Verhältnis zu Israel und die Abgrenzung von antisemitischen Positionen gekommen. Vom sich links positionierenden Parteiflügel erhielten die Politikerinnen - drei Bundestagsabgeordnete und ein Vorstandsmitglied - Unterstützung.

In einem Aufruf hatten zahlreiche Mitglieder der Linkspartei, darunter viele ostdeutsche Abgeordnete aus Bundestag, Landtagen und Europaparlament, die Urheber des Eklats dagegen scharf kritisiert und Konsequenzen gefordert. »Wir sind es leid, dass eine sachliche Auseinandersetzung über die Entwicklung im Nahen Osten durch diese Positionierungen unmöglich wird«, hieß es in dem Aufruf unter anderem. Linksfraktionschef Gysi hatte daraufhin erklärt, er habe den Appell mit Interesse zur Kenntnis genommen, appelliere aber an die Linke, »ihre ideologischen Differenzen nicht anhand dieses Vorfalls auszutragen«.

Aus dem Kreis der Unterzeichner des Aufrufs hatte es danach geheißen, es gehe nicht um eine Strömungsauseinandersetzung. »Wir gehören unterschiedlichen oder auch überhaupt keiner der Strömungen in unserer Partei an«, es gehe aber um »einen wichtigen und grundsätzlichen Teil unseres Parteiprogrammes« und damit um »eine grundlegende Frage unseres Selbstverständnisses und unserer Selbstachtung«. Man wende sich gegen »einseitige Schuld- und Verantwortungszuweisungen im Nahost-Konflikt« und gegen »Vergleiche zwischen Nazideutschland und Israel« sowie gegen »Boykottforderungen gegenüber israelischen Produkten«.

Stattdessen trete man für »eine differenzierte Sicht auf den Nahostkonflikt« ein, heißt es weiter. Darin gebe es Raum für »Kritik der Politik der handelnden Akteure auf beiden Seiten und die Solidarität mit den Menschen, die in Israel und den besetzten Gebieten von diesem Konflikt betroffen sind« - ohne »Dämonisierung Israels oder der einseitigen Parteinahme für die Fatah oder die Hamas«. nd/mit Agenturen

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