Massenmärsche gegen Rassismus

In New York, Washington, Boston und kalifornischen Städten protestieren Zehntausende

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit dem »Millions March« fand in New York die bisher größte Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt dieses Jahr statt. Auch in anderen USA-Großstädten gingen Menschen auf die Straßen.

Millionen waren es nicht, wie das Bündnis »Millions March New York City« mit seiner Selbstbezeichnung suggeriert hatte, auch nicht Hunderttausende, aber immerhin mehrere Zehntausend. Bei Temperaturen unter Null Grad zogen schätzungsweise 60 000 Menschen vom Washington Square Park über die 5th und 6th Avenue über den Broadway und anschließend zum Hauptquartier der weltgrößten Stadtpolizei NYPD. Der sechs Kilometer lange Zug wurde von Angehörigen jüngst durch Polizeigewalt ermordeter Afroamerikaner angeführt. »I can’t breathe« (Ich kann nicht atmen), die letzten Worte des am 17. Juli im Polizeigriff erstickten Afroamerikaners Eric Garner, wurden auf Hunderten von Schildern mitgeführt. Von den Gehsteigen aus applaudierten viele Weihnachtseinkäufer den Sprechchören. »We will shut New York City down« (wir machen New York dicht), hieß es, »Justice now!« (Gerechtigkeit jetzt), aber auch »The whole damn system is guilty as hell« (Das ganze verdammte System ist schuld). Die New Yorker Cops hielten weitgehend Distanz und ignorierten Sprechchöre, die ihnen Ku-Klux-Klan-Methoden vorwarfen, oder »Fuck the Police«. Nach der kurzen Schlusskundgebung blockierten gut Tausend Demonstranten die Fahrbahnen über die Brooklyn Bridge.

In die fünf Fahrstunden von New York entfernte USA-Hauptstadt Washington hatte parallel dazu der Bürgerrechtler Al Sharpton mobilisiert. Gut 15 000 Menschen demonstrierten auf der Pennsylvania Avenue zwischen dem Kapitol und dem Weißen Haus. Neben der Mutter und der Witwe von Eric Garner nahmen auch die Angehörigen von Michael Brown, der in Ferguson von einem weißen Polizisten erschossen worden war, sowie von Tamir Rice, einem zwölfjährigen Polizeiopfer in Cleveland, und von Trayvon Martin teil. Letzterer war 2012 in Florida von einem privaten Wachmann umgebracht worden. In keinem der Fälle ist der Täter zur Verantwortung gezogen worden.

Gwen Carr, die Mutter von Eric Garner, gelobte, die Proteste würden in den gesamten USA solange fortgesetzt werden, bis »Gerechtigkeit hergestellt worden ist«. Al Sharpton appellierte an den Washingtoner Kongress, eine umfangreiche Justizreform einzuleiten, und kritisierte die weißen Eliten: »Ihr dachtet wohl, Ihr könnt das unter den Tisch kehren, Ihr dachtet, niemand würde darauf aufmerksam machen, aber da habt Ihr Euch getäuscht«.

Auch in Boston, Chicago und in mehreren Städten Kaliforniens gab es Solidaritätsdemonstrationen.

Zu befürchten ist, dass die Rufe nach Justiz- und Polizeireformen an der geballten Macht des tief verankerten institutionellen Rassismus zerschellen. So haben die lokalen Behörden in Ferguson beispielsweise angekündigt, die »Verdachts«-Kontrollen von Autofahrern noch weiter als bisher auszudehnen, um mit den Einnahmen von Strafgebühren die maroden Stadtkassen aufzubessern. Selbst die New Yorker Polizei schert sich um Kritik wenig und geht sogar in die Offensive. Die größte Polizistengewerkschaft erklärte am Wochenende den liberalen Bürgermeister der Stadt Bill DeBlasio zur unerwünschten Person bei Begräbnissen von Beamten, die im Dienst umgekommen sind.

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