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Studio Babelsberg droht das Aus

Umsatz mit Filmproduktionen dramatisch von 82 auf 50 Millionen Euro gesunken

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 4 Min.
Im internationalen Wettbewerb um große Hollywoodproduktionen hat Potsdam inzwischen oft das Nachsehen. Andere Staaten locken mit erheblichen Steuervergünstigungen.

90 Minuten Zeit hat sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) genommen für den exklusiven Besuch am Set von Steven Spielbergs Agententhriller aus der Ära des Kalten Krieges Zeit. Für ein Wochenende war in Potsdam die Glienicker Brücke für den Dreh gesperrt. Weitere Motive fand Regisseur Spielberg in der Region.

Sein Film rückt Deutschland und das Studio Babelsberg wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit von Zuschauern und Filmwelt. Doch solche Momente sind in diesem Jahr für Christoph Fisser und Carl Woebcken, die Chefs von Studio Babelsberg, rar geworden. Das Studio steht nach einem Bericht des »Handelsblatts« vor dem wirtschaftlichen Aus.

Der Umsatz sank dramatisch von knapp 82 Millionen Euro im Jahr 2013 auf rund 50 Millionen in diesem Jahr. 2,5 Millionen Euro Verlust wurden 2014 geschrieben, im Vorjahr wurden noch 843 000 Euro Gewinn gemacht, allerdings auch schon ohne Auszahlung einer Dividende an die Aktionäre. Zuletzt hatte es 2008 eine Ausschüttung gegeben. Für das Plus sorgten unter anderem die Adaption des Bestsellers »Die Bücherdiebin« sowie »Die Schöne und das Biest« und George Clooneys »Monuments Men«. Obwohl die in »Monuments Men« gezeigte Odyssee der alliierten Kunstretter hinter den Fronten des Zweiten Weltkriegs als kommerzieller und künstlerischer Flop gilt, war der Streifen doch profitabel. Das besagen Dokumente aus dem gehackten Internetserver des Sonykonzerns.

In Deutschland wurde Clooney in Klatschblättern als Verschwender von mehr als acht Millionen Euro Fördermitteln eingestuft. Dahinter stehen Angriffe des Bundes der Steuerzahler auf das System der Filmförderung und insbesondere den Deutschen Filmförderfonds (DFFF). Er war 2007 mit 60 Millionen Euro jährlich aus dem Etat des Kulturstaatsministers geschaffen worden, damit deutsche Filmschaffende im Land drehen und Eigenkapital bilden, um etwa die Entwicklung des nächsten Drehbuchs zu finanzieren.

Ziel des DFFF ist es auch, internationale Großproduktionen nach Deutschland zu locken. Hauptprofiteur war Studio Babelsberg.

Aber auch die Bundesrepublik hatte einen Vorteil davon, dass Schauspieler wie Vanessa Redgrave, Tom Cruise, Kate Winslett, Christoph Waltz und Brad Pitt in die traditionsreichen Hallen in Potsdam kamen. Durch Filmproduktionen wie »Der Vorleser« oder »Inglorious Basterds« sprudelten Steuern. Auf jeden Euro aus dem DFFF kommen vier Euro, die die Produzenten aus ihrer Schatulle im Studio oder an den Drehorten ausgeben. 1,70 Euro fließen an den Staat zurück.

Das Modell des DFFF war so erfolgreich, dass es weltweit Nachahmer fand. Andere Länder wie Kanada oder Großbritannien legten jedoch steuerliche Anreizmodelle für amerikanische Blockbuster auf, bei denen der DFFF nicht mithalten kann. Hauptleidtragender ist das Studio Babelsberg, das im Bieterwettbewerb um internationale Großprojekte kaum noch konkurrenzfähig ist.

Die Kritik des Bunds der Steuerzahler zeigte Wirkung. Bundesregierung und Parlament stutzten den DFFF-Etat für 2015 auf 50 Millionen Euro. Die deutsche Filmbranche läuft seit Monaten geschlossen Sturm dagegen. Sie fand Gehör beim Bundesrat. Er forderte am 19. Dezember auf Initiative der Brandenburger Landesregierung, den DFFF ab 2016 wieder um zehn Millionen zu erhöhen. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommen Signale, dass Minister Sigmar Gabriel (SPD) für 2015 mit Geld aus der Mittelstandsförderung die Lücke überbrücken will. All diese Initiativen nutzen dem Studio Babelsberg. Allerdings bleiben notwendige Änderungen und Anpassungen der Regularien des Deutschen Filmförderfonds wohl aus, die die Akquise internationaler Projekte extrem erschwert haben. Die kleinteilige deutsche Filmbranche verteidigt das starre Modell, in dem bis zu 20 Prozent der Kosten mit der Gießkanne in den Dreh aller Filme fließt. Diese automatische Förderung endet bei vier Millionen Euro Fördergeld. Jeder weitere Cent muss extra beantragt werden. Das kostet oft so viel Zeit, dass sich US-amerikanische Produzenten anderweitig orientieren.

Und bei zehn Millionen Euro Förderung ist Schluss. Dadurch sind Filme mit riesigen Budgets nicht nach Deutschland zu locken. Großbritannien gewährt zum Beispiel einen Steuernachlass von 20 Prozent bei einem Budget bis 20 Millionen Pfund. Bei jedem weiteren Penny, der dort ausgegeben wird, spart der Produzent 25 Prozent. Die Londoner Studios sind voll, während die Babelsberger rote Zahlen schreiben.

In den vergangenen Wochen wurde unter anderem von der Geschäftsführerin des Medienboard Berlin-Brandenburg Kirsten Niehuus eine Änderung der DFFF-Regularien gefordert. Doch dass es dazu kommt, dafür gibt es im Moment keine Anzeichen.

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