Neue Farbe, alte Inhalte

Auf dem traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart bleibt die FDP sich treu

  • Fabian Lambeck, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Signal des Aufbruchs sollte vom Dreikönigstreffen der FDP ausgehen. Aber nur eine vom Parteichef beauftragte Werbeagentur konnte in Stuttgart neue Akzente setzen.

Was tut eine Partei, die bei den Wählern nicht mehr ankommt, sich aber programmatisch nicht erneuern will? Ganz einfach, sie engagiert eine Werbeagentur namens Heimat und lässt sich ein frischeres Image verpassen. Wenn man so will, dann war die Inszenierung von Aufbruch, die die FDP-Spitze am Dienstag in der Stuttgarter Staatsoper zum Besten gab, die Generalprobe für das neue Konzept. Man gibt sich unter dem Label »Freie Demokraten« konsequent liberal, irgendwie empathisch und vor allem offen und ehrlich.

Die Redner auf der Bühne mussten ohne Pult und Redemanuskript auskommen. Dafür gab es Headsets und kleine Karteikärtchen, die die nötigen Stichworte lieferten. Dazu eine sichtbar antrainierte Körpersprache, die gestenreich unterstreichen sollte, was da referiert wurde. Das Ganze erinnerte mit seinem Aufbruchs- bzw. Erweckungspathos an die US-Fernsehshows evangelikaler Christen, wie sie auf Bibel-TV ausgestrahlt werden. Das FDP-Personal auf der Bühne bediente sich derselben Körpersprache wie die TV-Prediger. Wenn die neuen Inhalte fehlen, muss es halt die Inszenierung richten. Oder wie der ehemalige FDP-Chef Wolfgang Gerhardt den vor der Oper wartenden Journalisten erklärte: »Wir müssen raus aus dem Loch.«

Hans-Ulrich Rülke, seines Zeichens Fraktionschef der Liberalen im Stuttgarter Landtag, lobte das »blaue Wachstum« als Gegenmodell zum »grünen Verzicht«. Was dieses blaue Wachstum ausmacht, konnte Rülke nicht erklären. Dafür erinnerte er an die niederländischen Liberalen, die in den Umfragen bei 0,5 Prozent gelegen hätten und bei der letztjährigen Europawahl 15,5 Prozent erreichten. »Wir können es schaffen, liebe Freunde«, beschwor er die Gäste im gut gefüllten Saal. Diese klatschten dankbar Beifall, wenn auch nicht jede seiner Zoten ankam. Doch Rülke lieferte nur die Ouvertüre für die mit Spannung erwartete Rede von Parteichef Christian Lindner. Noch während der Schwabe sprach, tauchte im Hintergrundbild erstmals jenes Magenta auf, das die klassische Farbpalette blau und gelb künftig bereichern soll und auf die Agentur Heimat zurückgeht. Dieses bläuliche Rot oder Purpur soll wohl auch so etwas wie einen Neubeginn signalisieren.

Inhaltlich blieb dieser am Dienstag aus. Und so war das Beeindruckendste an Lindners Rede der Umstand, dass er weitgehend frei sprach - und das eine Stunde lang. Diese rhetorische Höchstleistung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die FDP neoliberal bleibt. Oder wie Parteivize Wolfgang Kubicki bereits vor dem Dreikönigstreffen meinte: Nicht die Ideen der FDP seien gescheitert, sondern ihr politisches Personal. »Tatkraft, Optimismus, Freiheitsliebe«, das sollen sie sein, die neuen Parameter der FDP, die doch irgendwie die alten sind. Auch das viel beschworene »neue Leitbild« entpuppte sich als altbekanntes. Deutschland sei das »Land der Chancen«, so Lindner.

Er wetterte gegen Solidaritätszuschlag, Gemeinschaftsschulen und den bevormundenden Staat. Dafür beschwor er die Chancen des Freihandelsabkommens TTIP und zeigte damit, dass die FDP eine wichtige Lektion noch nicht gelernt hat: Sie muss sich mehr um die Belange ihrer klassischen Klientel kümmern. Kleingewerbetreibende und Mittelständler werden von TTIP kaum profitieren. Auffällig: Nicht jede seiner Tiraden wurde von den gut 1400 Gästen auch beklatscht.

Schließlich widmete sich der Parteichef der derzeit wohl größten Gefahr für die FDP. Die Alternative für Deutschland, zu der besonders viele Wähler wechselten, sei das Gegenteil von allem, wofür die FDP stehe, so Lindner unter dem tosenden Applaus des Publikums. Dafür äußerte er, wie schon zuvor Wolfgang Kubicki, Verständnis für die Menschen von Pegida, die man nicht »pauschal als Mischpoke oder Nazis in Nadelstreifen« beschimpfen dürfe. Lindner warnte vor islamischen Extremisten und warb für eine Einwanderung nach kanadischem Vorbild - eine Forderung übrigens, die sich auch bei AfD und Pegida wiederfindet.

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