Schweizer Franken kostet weiter fast einen Euro

Höhenflug des Franken löste Panik an Finanzmärkten aus

  • Lesedauer: 4 Min.

Zürich. Der Franken kostet weiter fast einen Euro. Am Freitagmorgen wurde die Schweizer Währung am Devisenmarkt mit rund 0,98 Euro gehandelt. Das ist rund 18 Prozent über dem Niveau der vergangenen Zeit. Am Vortag hatte die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Märkte mit dem überraschenden Beschluss geschockt, die seit September 2011 geltende Koppelung des Franken mit sofortiger Wirkungaufzugeben. Daraufhin war der Frankenkurs sofort in die Höhe geschossen.

Bis Donnerstag hatte die Devise gegolten, keinen Eurokurs unter 1,20 Franken zu tolerieren. Faktisch hieß das: Ein Franken durfte höchstens 0,833 Euro kosten. Hintergrund war der Höhenflug des Franken in den vergangenen Jahren. Ausgehend von einem Kurs von etwa 0,60 Euro Ende 2007 war die Schweizer Währung immer teurer geworden und kostete im Sommer 2011 fast einen Euro. Damit wurden auch Schweizer Produkte für ausländische Kunden immer teurer - zum Leidwesen der Schweizer Wirtschaft, die in hohem Maße von Exporten abhängig ist.

Die Schweizer Nationalbank hatte am Donnerstag überraschend den Mindestwechselkurs zum Euro aufgehoben. Der Schweizer Franken bleibe zwar hoch bewertet, doch die Überbewertung habe sich seit Einführung des Mindestkurses im September 2011 insgesamt reduziert, erklärte die Zentralbank am Donnerstag in Zürich. Während der Kurs des Franken nach der Bekanntgabe in die Höhe schnellte, brach an den Finanzmärkten Panik aus.

Inmitten der Eurokrise hatte die Nationalbank vor fast dreieinhalb Jahren angesichts eines anhaltenden Höhenflugs des Franken die Notbremse gezogen und den Mindestwechselkurs von 1,20 Franken für einen Euro festgelegt. Die hohe Nachfrage von Investoren nach der sicheren Währung war zu einer Belastung für die wichtige Schweizer Exportwirtschaft geworden.

Diese »außerordentliche und temporäre Maßnahme« in einer Zeit »größter Verunsicherung an den Finanzmärkten« habe die Schweizer Wirtschaft vor schwerem Schaden bewahrt, erklärte die Nationalbank nun. In der Zwischenzeit habe sich die Wirtschaft des Landes umgestellt.

Nachdem die Maßnahme zunächst Früchte trug, stieg der Kurs des Franken zum Euro 2014 aber wieder kontinuierlich. Auch die Krise des russischen Rubel erhöhte den Druck auf den Schweizer Franken. Im Dezember führte die Zentralbank einen Negativzins von minus 0,25 Prozent für hohe Guthaben ein, um Spekulanten abzuschrecken. Diesen verschärfte sie am Donnerstag auf minus 0,75 Prozent.

Die Nationalbank begründete ihren Schritt aber auch mit der unterschiedlichen geldpolitischen Ausrichtung der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Fed. Diese werde sich vermutlich »noch weiter akzentuieren«. Indem sich der Euro gegenüber dem Dollar deutlich abgewertet habe, habe sich auch der Franken im Vergleich zum Dollar abgeschwächt. Deshalb sei die Bank zu dem Schluss gekommen, dass die »Durchsetzung und Aufrechterhaltung des Euro-Franken-Mindestkurses nicht mehr gerechtfertigt« seien.

Nach der Aufhebung des Mindestkurses schnellte der Kurs des Franken zunächst um fast 30 Prozent in die Höhe. Zwischenzeitlich gab es für einen Euro nur noch 0,85 Rappen. Später lag der Kurs bei 1,03 Franken pro Euro. Die europäische Einheitswährung fiel im Vergleich zum Dollar auf den tiefsten Stand seit November 2003: Am Vormittag kostete ein Euro 1,1575 Dollar, am Nachmittag dann wieder 1,642 Dollar.

An der Schweizer Börse stürzte der Leitindex SMI zwischenzeitlich um rund zwölf Prozent ab und schloss letztlich bei einem Minus von fast neun Prozent. Vor allem die Aktien von Schweizer Banken und Luxusmarken gaben stark nach. Der Aktienkurs des weltgrößten Uhrenherstellers Swatch mit seinen Marken Tissot, Breguet und Longines büßte mehr als 16 Prozent ein. Investoren verkauften ihre Anteile aus Sorge vor den Auswirkungen der Zentralbank-Entscheidung. Denn durch den aktuellen Kursanstieg des Franken verteuern sich Schweizer Waren im Ausland um 20 bis 30 Prozent.

Swatch-Chef Nick Hayek bezeichnete die Entscheidung der Nationalbank als »Tsunami«. Auch die Maschinenbauer befürchten »katastrophale Auswirkungen« auf die überwiegend mittelständischen Unternehmen, wie der Arbeitgeberverband Swissmechanic mitteilte. Nach Angaben der Schweizer UBS-Bank könnte die Maßnahme zu einem Rückgang der Exporte um fünf Milliarden Schweizer Franken führen.dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal