Bartsch: Rot-Rot-Grün im Bund zurzeit eine Scheindebatte

Linksfraktionsvize: Es fehlt eine spürbare gesellschaftliche Entwicklung nach links / Wagenknecht: Gabriel steht »für die gleiche Politik wie Merkel«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch sieht »zurzeit weder eine Grundlage noch einen Anlass« für Spekulationen über ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene. »Die nächsten Bundestagswahlen sind 2017, die SPD hat sich vor gerade mal einem Jahr trotz anderer Möglichkeiten entschieden, mit der Union zu regieren«, sagte Bartsch der in Berlin erscheinenden Tageszeitung »neues deutschland« (Montagsausgabe). Ein wirklicher Politikwechsel wachse »aus der Gesellschaft, auch in den Kommunen und Ländern. Solange es dort keine spürbare gesellschaftliche Entwicklung nach links gibt, ein Bedürfnis danach, dass sich das auch in Regierungsmehrheiten ausdrückt, solange ist Rot-Rot-Grün eine Scheindebatte«, sagte der Bundestagsabgeordnete. Seine Partei rief er dazu auf, »Profilstärke, Eigenständigkeit« zu zeigen. »Dass wir bereit zum Regieren sind, wenn es einen wirklichen Politikwechsel gibt, dürfte inzwischen jeder wissen.«

Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht äußerte sich ebenfalls. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sagte sie mit Blick auf die Sozialdemokraten, solange der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel »für die gleiche Politik steht wie (Kanzlerin Angela) Merkel, bringt ein Wechsel im Kanzleramt der Bevölkerung wenig, und solange sind irgendwelche Arbeitsgruppen zu Rot-Rot-Grün relativ sinnlos«. Wagenknecht reagierte damit auf einen Vorschlag von Linksfraktionschef Gregor Gysi, der von einigen Tagen vorgeschlagen hatte, »ernsthafte Gespräche« zwischen den drei Parteien zu führen, »um zu sehen, was geht«. Dazu sollten Linkspartei, SPD und Grünen Vertreter benennen, die das gesamte politische Spektrum ihrer jeweiligen Parteien repräsentierten.

Führende Grüne hatten dies ebenso abgelehnt wie die Sozialdemokraten. »Gysis Idee ist absurd«, wurde SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi zitiert. »Die SPD klärt ihre Koalitionsentscheidungen nicht in Arbeitsgruppen. Alle Spekulationen über die nächste Bundesregierung sind knapp drei Jahre vor der Wahl völlig aberwitzig.« Es hatte aber aus SPD und Grünen heraus auch Unterstützer für Gysis Vorschlag gegeben. Wagenknecht sagte nun mit Blick auf dessen Vorstoß, »wenn man Gespräche will, ist es sicher nicht der aussichtsreichste Weg, sie über die Presse zu organisieren«.

Auch in der Linkspartei hat die Frage der Regierungsbeteiligung stets für Kontroversen gesorgt. Erst vor wenigen Tagen hatte Lucy Redler von der innerparteilichen Gruppe Antikapitalistische Linke »überhaupt kein Verständnis« für das Angebot rot-rot-grüner Gespräche geäußert. Es gebe »kein linkes Lager, das diesen Namen verdient und mehrheitsfähig wäre. SPD und Grüne betreiben keine Politik im Interesse der Lohnabhängigen oder Erwerbslosen, sind mitverantwortlich für Agenda 2010 und Kriegseinsätze«, sagte Redler dem »nd«.

Linksfraktionsvize Bartsch widersprach dem. »Die abstrakte Debatte um die Übernahme von Regierungsverantwortung ist bei uns im Grunde erledigt. Es herrscht im Kern Übereinstimmung, von ein paar Splittergruppen abgesehen.« Bartsch begrüßte jedoch, dass bei der jeweils konkreten Frage nach einer Regierungsbeteiligung auch kontrovers diskutiert wird. Entscheidend sei, wie die Ergebnisse von Koalitionen sind, sagte der Linkenpolitiker. Dabei müsse die Linkspartei auch selbstkritisch sein. »Wir behaupten nicht wie andere Parteien, es sei alles tadellos, wenn wir regieren. Aber wir sollten gleichzeitig besser darin werden, unsere Erfolge ins Schaufenster zu stellen.« nd

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