Die Disziplinierung des Kegelklubs

Bernd Lucke setzte sich am Wochenende in der Satzungsdebatte auf dem AfD-Parteitag in Bremen durch

  • Reinhard Schwarz und Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit einer Satzung hat sich die »Alternative für Deutschland« am Wochenende eine neue organisatorische Basis gegeben. Die Demonstranten vor den Türen stießen sich eher an den Inhalten der Partei.

Noch ziert sich AfD-Chef Bernd Lucke etwas. »Ich werde zu gegebener Zeit bekanntgeben, ob ich kandidiere«, sagte Lucke am Sonntag beim Bundesparteitag in Bremen. »Ich entscheide selbst, wann ich mich äußere, ich habe immer gesagt, ich äußere mich nach dem Parteitag.« Es ist trotzdem sicher richtig, von »AfD-Chef« Lucke zu reden. Denn der Ökonom und EU-Abgeordnete hat sich am Wochenende auch auf dem Parteitag durchgesetzt, nachdem er bereits im Vorstand den Kampf für sich entschieden hatte. Die nun beschlossene Satzung sieht nur noch einen Vorsitzenden vor, statt des bisherigen Führungstrios, dem neben Lucke bisher Frauke Petry und Konrad Adam angehören. Im April sollen auf einem Parteitag zwei Vorsitzende gewählt werden, von denen ab Dezember einer zum Stellvertreter wird. In weiteren Beschlüssen zur Satzung gab sich die AfD einen hauptamtlichen Generalsekretär und als neues Organ einen Konvent (kleiner Parteitag), der den Vorstand berät und über Mittelverteilung entscheidet.

Für eine straffere Führung hatte Lucke seit Wochen geworben, er störte sich an der Kakofonie des bisherigen Führungstrios, AfD-Mitglieder warfen ihm zugleich einen »undemokratischen Führungsstil« vor. »Wir sind kein Kegelklub oder Kaninchenzüchterverein«, argumentierte Lucke nochmals in Bremen und warb für eine Professionalisierung der Führung. Nach der Abstimmung riss er jubelnd die Arme hoch. Es käme einem Wunder gleich, würde er den Führungsposten am Ende des Jahres einem anderen überlassen.

Die nächste große Debatte steht im Dezember bevor, wenn auch über das Parteiprogramm entschieden wird. Dabei wird es nicht weniger aufgeregt zugehen als auf dem Satzungsparteitag am Wochenende in Bremen. Und das gilt nicht nur für den Part, den die streitfreudigen Mitglieder meist per Geschäftsordnungsdebatte ausfochten. Auch vor der Tür braute sich am Sonnabend Unbill zusammen. Vermummte rüttelten an den Absperrgittern, Knallkörper flogen. Nach Polizeiangaben demonstrierten in der Bremer Innenstadt 3700 Menschen gegen die AfD. Die Veranstalter, ein Bündnis aus 100 Initiativen und Parteien, sprach von rund 10 000 Demonstranten, die sich am Nachmittag vor Halle 3 der Bremer Stadthalle auf der Bürgerweide einfanden, um zu Rap-Musik ihre Ablehnung deutlich zu machen. Man wolle »ein lautes und ein starkes Zeichen setzen gegen Rassismus, Nationalismus und Rechtspopulismus«, erklärte Mitorganisatorin Sofia Leonidakis von der Bremer LINKEN in Radio Bremen.

Neben der Kritik an der Euro-Rettung hatte die AfD zuletzt mit ihren Kontakten zur islamkritischen Pegida-Bewegung von sich reden gemacht. Beobachter konstatierten einen Rechtsruck, den die AfD-Spitze jedoch bestreitet. »Wir wollen überhaupt nicht Wähler am rechten Rand einsammeln«, sagte Lucke in einer Parteitagspause. Das sahen die Kritiker vor der Tür offenbar anders.

Schon frühzeitig hatte sich auf der noch leeren Bürgerweide eine Gruppe Bremer Antifaschisten der VVN unter einem luftigen Zelt versammelt und bei Schneefall mit vorbei ziehenden AfD-Mitgliedern diskutiert. Ein Jung-Alternativer, ein 21-jähriger Politologiestudent, fand sich ein, um mit den Antifa-Leuten zu debattieren. »Die AfD ist die einzige Partei, die zu der Konsenspolitik von CDU und FDP eine Alternative bildet«, dozierte er. »Hier sind Leute am Werk, die etwas vorzuweisen haben - nämlich Fachkompetenz«, klärte er die Umstehenden auf, die genervt vom Redeschwall mit den Augen rollten. »Es ärgert mich besonders, wenn vor allem junge Leute auf die AfD reinfallen«, sagte danach eine Aktivistin von den Bremer Antifaschisten zwischen Trotz und Hilfslosigkeit.

Wegen des großen Andrangs fand der Parteitag in zwei Gebäuden statt, die per Video miteinander verbunden waren. In Expertenvorträgen ging es um Steuer-, Familien- und Gesundheitspolitik. Diskussions- und Fragerunden zeigten ein diffuses programmatisches Meinungsbild der AfD-ler. Spätestens, wenn die AfD-ler im November zusammenkommen, um über ihr neues Parteiprogramm abzustimmen, steht neuer Zoff ins Haus. Dass dann die liberalen Datenschützer, die Law-and-Order-Freunde und die Verfechter der Mindestens-drei-Kinder-Familie aufeinander losgehen werden, ist ebenso vorhersehbar wie eine Eskalation des Streits über die Zuwanderung.

Der Kommentar der Demonstranten vor den 'Türen in Bremen ist auf ihren Spruchbändern zu lesen: »Bremer Europäer gegen Idiotisierung des Abendlandes« oder »Gönn Dir … die Alternativen zu Deutschland«. Vor dem Bremer Dom, gegenüber dem Rathaus, haben sich zur selben Zeit andere Protestierer versammelt, die die Politik Israels kritisieren. Doch die meisten Bremer zeigen sich unbeeindruckt. Sie shoppen um diese Zeit oder haben sich bei dem ungemütlichen Wetter zum Brunch in eines der Passagen-Lokale zurückgezogen. Nahe dem Roland, dem Wahrzeichen Bremens, findet sich an einer Häuserwand in großen Lettern die wohl noch aus dem kalten Krieg stammende Inschrift: »Gedenke der Brüder, die das Schicksal unserer Trennung tragen.« Irgendwie passt das auch zur AfD, die mit ihren nationalen Parolen nicht recht in die Gegenwart passen will.

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